Berlinale 2005

Festivalberichte von Günter H. Jekubzik und Oliver Schiffers


Die 55. internationalen Filmfestspiele in Berlin
10. - 20. Februar 2005

Berlinale Preise

Sophie räumt ab

Berlin. Die Internationale Jury der Berlinale 2005 mit dem Regisseur Roland Emmerich und der Schauspielerin Franka Potente gab am Samstag ihre überraschenden Sieger bekannt: Der Goldenen Bären erhielt unerwartet die südafrikanische Carmen-Adaption "U-Carmen eKhayelitsha" vom Engländer Mark Dornford-May, der seit 2000 am Kap ein Theater leitet. Das leidenschaftliche Eifersuchtsdrama Drama um Carmen spielt sich im Gegensatz zu Bizets Vorlage in Townships des Landes ab. Gesungen wurde eindrucksvoll in Xhosa, die Landessprache, die mit den Klicklauten durch einen Song von Mirima Makeba berühmt wurde. Mit dem Überraschungssieger "U-Carmen eKhayelitsha" wurde auch der Afrika-Schwerpunkt der diesjährigen Berlinale gewürdigt. Südafrika gilt seit einigen Jahren als aufstrebendes Filmland. Der Preis wirkt allerdings wie ein typischer Jury-Kompromiss, der nicht den besten Film sondern den einzigen gemeinsamen Nenner kürt.

Mit zwei Silbernen Bären - für die beste Regie und die beste Darstellerin - bestimmt "Sophie Scholl" auch abschließend das Bild der 55.Berlinale. Hauptdarstellerin Julia Jentsch schaute von allen Titeln bedenklich auf das bunte Treiben mit über 25 Filmen im Wettbewerb und fast 400 in den anderen Sektionen. Marc Rothemund realisierte das brave Abfeiern eines letztlich zwecklosen Widerstands von Sophie Scholl und ihrer Gruppe "Die Weiße Rose" in spartanischer Inszenierung. Autor Fred Breinersdorfer konzentrierte sich auf Basis neu gefundener Verhörprotokolle auf die letzten Tage der hingerichteten Widerstandskämpferin.

Auch der Preis der Ökumenischen Jury für einen Film aus dem Wettbewerb ging an das dröge Widerstandsdrama: "Der Film verweist auf einen dialogfähigen, christlichen Standpunkt, der in konsequenter Zivilcourage und im Widerstand gegen totalitäre Denk- und Machtstrukturen seinen Ausdruck findet." "Sophie Scholl" wird bereits nächsten Donnerstag breit in den deutschen Kinos anlaufen und kann eine Reihe von Auslandsverkäufen aufweisen - insgesamt auch ein grandioser Erfolg der Marketing-Abteilung der deutschen Erfolgs-Produzenten X-Filme.

Die Filmstiftung NRW feiert gleich drei Auszeichnungen für "Paradise Now": Den mit 25.000 Euro am höchsten dotierte "Blaue Engel" für den besten europäischen Film, den "Amnesty International Filmpreis" und den Publikumspreis. Der palästinensische Regisseur Hany Abu-Assad erzählt darin die Geschichte zweier junger Männer, die als Selbstmordattentäter mit einer Bombe um den Bauch nach Israel reisen. Michael Schmid-Ospach, Geschäftsführer der Filmstiftung NRW freute sich: "Das besondere Kompliment sind diese drei Preise: Amnesty, Europa und Festivalbesucher. Das Signal gilt einem Thema, das der Welt auf den Nägeln brennt, sowie einer Konstellation der Zukunft: Filme aus und für Europa."

Den erneut eindrucksvollen Filmen aus Asien galt der Große Preis der Jury, ein Silberner Bär, für "Kong Que" (Der Pfau) von Gu Changwei. Den Silbernen Bär für den besten Darsteller erhielt der 19-jährige Lou Taylor Pucci für seine Rolle als orientierungsloser Jugendlicher in dem Film "Thumbsucker" (Daumenlutscher) von Mike Mills. Die ästhetisch und erzählerisch originelle Geschichte über Jugend in einer indifferenten Erwachsenwelt gehört wie "Donnie Darko" zu den intelligenten Jugendfilmen aus den USA.

Insgesamt waren wenig begeisterte Stimmen zum diesjährigen Wettbewerb zu hören. Es mag nicht das beste Jahr unter Dieter Kosslick gewesen sein. Doch wer, auch den Journalisten, lässt sich schon auf den Wettbewerb festlegen? Und in der immer reichhaltigeren Festivallandschaft der Berlinale bieten sich erfreulich viele Programmplätze und Initiativen für jeden Geschmack und jedes Alter. Mit der Erweiterung des Kinderfilms in die Pubertätsschiene "14+" und vor allem dem Talent Campus kann Kosslick immer noch ein breites und nachwachsendes Festivalpublikum faszinieren.