Berlinale 2002

Festivalberichte von Günter H. Jekubzik und Oliver Schiffers


Die 52. internationalen Filmfestspiele in Berlin
8. - 17. Februar 2002

Himmlische Berlinale-Eröffnung

Tom Tykwers "Heaven"

Gestern Abend hatten die 52. Internationalen Filmfestspiele Berlins ihre gelungene Eröffnung. Die erste Berlinale des neuen Festivalchefs Dieter Kosslick wird besonders kritisch beäugt werden. Doch mit"Heaven", dem neuen Film von Tom Tykwer, hat der ehemalige Leiter derFilmstiftung NRW einen ersten Trumpf ausgespielt: Ein irgendwie auch deutscherBeitrag, mit internationalen Stars besetzt und die beste Berlinale-Eröffnung seit langem.

Endlich mal gab es kein prätentiöses Ärgernis wie das Stalingrad-Opus "Duell" im Vorjahr, einen bemühten Gutmenschen-Film wie "Aimée und Jaguar" oder eine lieblose Literatur-Verhunzung wie "Fräulein Smilla". Wer allerdings besonders viel von Tom Tykwers erstem internationalen Film erwartet hat, könnte enttäuscht sein.

Tykwer startet in Turin mit einer hoch spannenden Mischung aus einer Bombe,  "unschuldigen" Kindern und einer unauffälligen Putzfrau. Am nächsten Tag muss die verhaftete Attentäterin Philippa (Cate Blanchett) erfahren, dass nicht der Drogenbaron sondern vier unbeteiligte Menschen Opfer ihrer Bombe wurden. Der Schock, ihre Verzweiflung rühren den jungen Carabiniere Filippo (Giovanni Ribisi), der während des Verhör übersetzt. Aus Liebe und anderen schwer erklärbaren Motiven befreit der Polizist die zerbrechliche Frau. Es geht hinaus in wunderbare italienische Landschaften und die Flucht führt letztendlich in den offenen Himmel des Titels.

Zwischen den Zeilen des vor allem im zweiten Teil ungewöhnlichen Films erkennt man immer wieder den verstorbenen Regisseur KrzysztofKieslowski ("Drei Farben: Rot") mit seinen zynischen Schicksalsspielen.Vom Polen stammte das Drehbuch, dem Tykwer weit gehend gefolgt ist.

Deutsche Eröffnungsfilme haben auf der Berlinale eine eher unrühmliche Tradition. Zu bemüht, zu brav zeigten sie oftnicht mehr als lobenswerte Haltungen und akzeptables Handwerk. Tom Tykwerhat sich mit "Tödliche Maria", "Winterschläfer", "Lola rennt"sowie "Der Krieger und die Kaiserin" als bester und innovativster deutschenRegisseur seiner Generation erwiesen. Vor allem zu Anfang von "Heaven",in der Turiner Untersuchungshaft, sind jedoch wenig auffallende Bildideenzu sehen. Tykwer hält sich zurück, damit die folgende Flucht indie Freiheit um so wirkungsvoller wird. Recht und Gerechtigkeit werden hiernicht mehr diskutiert, fast paradiesisch lieben sich die in ihren Namenschon so nahen Philippa und Filippo unter einem schützenden Baum. Bemerkenswert,wie still "Heaven" oft ist, Geräusche der Stille bestimmen in vielenSzenen die Atmosphäre.

Damit hat nicht nur Kosslick, dessen Filmstiftung NRW den Film noch förderte, einen hervorragenden Eröffnungszug gemacht, auch"Heaven" setzt direkt einen Maßstab für den Wettbewerb derBerlinale, der mit 22 weiteren Filmen die nächsten zehn Tage bestimmenwird. Am 21. Februar startet "Heaven" in den deutschen Kinos.