Berlinale 2002

Festivalberichte von Günter H. Jekubzik und Oliver Schiffers


Die 52. internationalen Filmfestspiele in Berlin
8. - 17. Februar 2002

Heftiger Streit um Hochhuth-Film "Amen"

Berlin. Der Stoff ist 38 Jahre alt und trotzdem sorgte er bislang für die heftigsten Diskussionen auf der 52.Berlinale: Der Grieche Costa-Gavras verfilmte mit "Amen" das Theaterstück "Der Stellvertreter" von Rolf Hochhuth.

Schon das Plakat zu "Amen" provozierte während der Berlinale: Auf schwarzem Grund liegen in blutrot ein Kreuz und ein Hakenkreuz übereinander. Aus einiger Entfernung springt das Hakenkreuz ins Gesicht und das Plakat hängt auch an einigen sensiblen Punkten Berlins. In den Ecken Fotos der Protagonisten, die während der Nazi-Diktatur am das Leben vonMillionen Menschen kämpfen. Da ist der SS-Offizier Kurt Gerstein (UlrichTukur), der als Chemiker Konzentrationslager mit dem Todesgas Zyklon Bversorgt. Aber er prangert gleichzeitig die Verbrechen in den KZ an, machtdie Deutschen, die Alliierten und die Kirche auf das Ungeheuerliche aufmerksam.
Der andere ist der junge Jesuit Ricardo (Mathieu Kassovitz) eine fiktive Figur, die für all die Kirchenleute steht, die gegen Nazi-Barbareikämpfen wollten. Beide stoßen auf Widerstand ihrer Vorgesetzten,vor allem Ricardo erlebt eine Kurie, die wissentlich die Morde an den Judenignoriert.

Das Verhältnis von Papst Pius XII zu der Nazi-Regierung ist eines der dunklen Kapitel der Kirchengeschichte. Mit einem berüchtigten Konkordat sorgte der Vatikan früh für eine diplomatische Anerkennung des NS-Staates. Das Für und Wider ist seit Jahrzehnten umstrittenund Costa-Gavras dramatisiert mit viel Kostüm und Kulisse überzwei Stunden lang die Positionen. Genauer gesagt, die Position Rolf Hochhuths, die Anklage gegen Pius XII, den "Stellvertreter" Gottes auf Erden.

Der renommierte Regisseur Costa-Gavras ist ein Profi in Sachen Polit-Film: "Z", "Der unsichtbare Aufstand" oder "Music Box" gehören zu seinenvielen kämpferischen Werken. Hochhuth selbst nennt Costa-Gavras "seitZ den Meister des Politfilms" und mit dem Projekt "Amen" haben sich zweiSeelenverwandte gefunden. Denn auch Hochhuth kämpft immer noch. Erverteilt auf der Pressekonferenz dicke Bände mit Dokumenten zum "Stellvertreter".Er ist Costa-Gavras der am Tag der Premiere seinen 68.Geburtstag beging -sichtlich dankbar, hält sich mit Kritik am Film zurück. "Der Filmhat seine eigenen Mittel, etwa den starken Musikeinsatz. So etwas könnenwir auf dem Theater nicht machen." Die Meinungen nach der ersten Vorführungsind breit gestreut, von Begeisterung bei einigen amerikanischen Journalistenbis zur skeptischen Haltung des Vertreters von "Radio Vatikan". Die Deutschen fechten die alten Debatten um das Theaterstück "Der Stellvertreter"wieder aus. Dazu passt, dass auch die aktuellste Umsetzung in den alten Formendes Politfilms verharrt. Löblich und notwendig, ja aber ein bemerkenswertes filmisches Ereignis war es nicht.