Forrest Gump

Erstaufführung, USA 1994, R: Robert Zemeckis, 142 Min.

Renn Forrest!

Das amerikanische Spielkino wird erwachsen: Den Umschwung des fast außerirdischen Regisseurs einer ganz anderen Erfolgsdimension, Steven Spielberg, von "E.T." über "Jurassic Park" zu "Schindlers List" ist für Kritik und Publikum kaum faßbar. Auch Robert Zemeckis hat nach fantastischen Kindereien wie "Falsches Spiel mit Roger Rabbit" oder "Zurück in die Zukunft" bei "Der Tod steht ihr gut" fulminant tiefernste Themen wie Schönheit und Tod einbezogen. Jetzt verlegte er seine handwerklichen Fähigkeiten, das Wissen um technische Trickmöglichkeiten in den Hintergrund, um eine einfache Geschichte eines einfachen Mannes scheinbar einfach zu erzählen. Tom Hanks, der mit "Philadelphia" nach vielen guten Komödien oscar-reif wurde, spielt Forrest Gump.

Ein Bild sagt dabei weniger als drei Worte aus Gumps ungelenken Mund. Nachdem in Jugendjahren seine Beinschienen den niedrigen Intelligenz-Quotienten von 75 durch eine entsprechende körperliche Langsamkeit ergänzten, beginnt Gump irgendwann zu rennen. Im Spurt nimmt seine Kombination von herzensguter Naivität und unglaublichem Erfolg unsere Herzen ein. Gump rast über das Football-Team zum College-Abschluß, in Nationalmannschaften zum Empfang mehrerer US-Präsidenten, rennt durch den Vietnam-Krieg und zum Krabben-Millionär. Nur mit seiner einzigen großen Liebe (Robin Wright) läuft es nicht.

Die Nacherzählung all der netten und verrückten Situationen, die Forrest auf seine ganz spezielle langsame Art löst, wäre so lang wie der 140-minütige Film oder vielleicht so lang, wie die drei Jahrzehnte amerikanischer Geschichte aus der Sicht eines einfachen Mannes, die den Film in den USA zum Riesen-Erfolg machten. Denn neben Szenen, in denen Forrest Elvis den Hüftschwung beibringt, John Lennon einen Songtext einflüstert, das Smily-Signet entwickelt, ist "Forrest Gump" Seelenbalsam für alle einfachen Leute, die in Vietnam vielleicht auch "lange Wanderungen im Regen" machten und "einen Typen namens Charly (so nannten die Soldaten den vietnamesischen Gegner)" suchten. Forrest ist ein Stehauf-Männchen, in der Spezialausführung 'Schnellauf-Männchen", gibt Mut, macht - auch in unzähligen Details - irre Spaß.

Ein Kapitel für sich sind die Effekte. Am Anfang mag es noch unklar bleiben, ob sich die Feder minutenlang real oder digital einkopiert vor die Füße von Forrest Gump senkt. Während dann die Spiele mit Geschichtsbildern, den Begegnungen mit vielen US-Präsidenten offensichtlichen Spaß an der neueren Technik bereiten, überzeugt diese am meisten, wo sie unsichtbar bleibt. Noch nie war es so verblüffend und einfach, einer Filmfigur, die Beine zu amputieren. Da freut man sich doch, daß im Abspann viel mehr Computertechniker als Stunt-Leute auftauchen.

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Die neue Zeitmaschine von Erfolgsregisseur Robert Zemeckisheißt "Forrest Gump". Der unauffällig grau gekleidete Forrest (Tom Hanks) sitzt auf einer Bank, bietet den Nachbarn Pralinen und die Geschichte seines Lebens an. Mit monotoner Stimme erzählt Forrest banale Ereignisse, von seiner Kindheit, seiner Mutter (Sally Field), die ihm lehrte, alle Menschen seien gleich viel wert, also auch Forrest mit seinem IQ von 75 und seinen Beinschienen. Die blonde Jenny (Robin Wright) machte ihm als einzige Platz im Schulbus und wird Forrest sein Leben lang als große unerreichbare Liebe begleiten.

Doch schnell wird deutlich, daß Forrest trotz seiner Bescheidenheit eine ganz besondere Rolle in der amerikanischen Geschichte spielte. Die Treffen mit drei US-Präsidenten - mit digitaler Bildmanipulation täuschend echt inszeniert - sind die auffälligsten Momente. Viele kleine Hinweise laufen nebenbei mit: Durch seine Beinschienen behindert, klettert er allein mit der Kraft seiner Arme zur Freundin Jenny in die Baumspitze. Das Bild verweist auf ein bekanntes Postermotiv: Der erste 'free climber' aller Zeiten war Forrest Gump! Weiterhin zeigt er Elvis, wie man die Hüften richtig schwingt, macht Karriere als Football-Spieler, erweist sich aufgrund seiner Folgsamkeit als hervorragender Soldat, spielt sich in die internationale Tischtennis-Elite und wird als Krabbenfischer stinkreich. Witzig und bewegend durchläuft Forrest Gump dreißig Jahre amerikanischer Geschichte aus der Perspektive seines einfachen Helden.

Zusammen mit "König der Löwen" (BRD-Start im November) ist "Forrest Gump" in den USA mit weitem Abstand erfolgreichster Film des Kinojahres 1994. Daß ein recht ruhiger Film, der mit seinen Effekten nicht hausiert, der nicht den Beschleunigungs-Wahn mit noch größeren Knalleffekten weitertreibt, auf derart breite Begeisterung trifft, ist schon eine Sensation. Sie belegt, wie perfekt Zemeckis sein Publikum über 140 Minuten zwischen schallendem Lachen und tief geseufzten Tränen im Bann hält.

Leichtes Unbehagen mit diesem Geschichtsspiel entsteht, wenn Forrest über die langen Wanderungen im Dschungel von Vietnam erzählt und daß sie dort 'immer einen Typen namens Charly suchten'. Doch es geht deutlich nicht um Politik oder Positionen in "Forrest Gump". Der Film ist ein Zelluloid-Monument für den einfachen Mann, der nichts besitzt als seine simple Offenheit und seinen aufrechten, liebenswerten Charakter. Diesem Forrest in uns allen verspricht die Kino-Geschichte wundersamen Reichtum und (fast) vollständiges Glück. In vielen Städten (z.B. Aachen, Alsdorf, Erkelenz) ist "Forrest Gump" schon am Dienstag abend zu sehen, bevor er am Donnerstag bundesweit startet. Im Heerlener Royal läuft die diesmal besonders reizvolle Originalversion.

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Den fast sicheren Weg zu seinem nächsten Oscar meistert Tom Hanks als Forrest Gump sehr langsam und stammelnd. Gump war mit einem IQ von 75 und einer auch körperlichen Langsamkeit nicht für die Sonnenseiten des Lebens bestimmt, doch das Schicksal meint es immer wieder gut mit diesem sehr menschlichen Narren. So schenkt uns sein Leben - und der Einfallsreichtum von Autor Eric Roth nach dem Roman von Winston Groom - eine schier unerschöpfliche Fülle von Freude, Sehnsüchten und Nachdenklichkeiten. Formal perfekt von digitaler Technik unterstützt, erzählt Zemeckis eine wunderbare Geschichte mit vielen originellen Details. Wenn Forrest seine einfachen Sätze des Off-Kommentars als Erzähler auf der Bank vor der Bushaltestelle noch einmal wiederholt, dann betont der Film immer wieder, daß er nur ein einfaches Leben eines einfachen Menschen erzählt - leicht und unbedeutend wie eine kleine Feder. Dabei ist diese fantastische Art der Biographie auch ein weiteres Kapitel der Zeitreisen-Trilogie von Zemeckis. Frei und lustig wird Geschichte vor- und zurückerfunden, wird Forrest in seiner Naivität zu Zentrum historischer Trends.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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