Fire

Kanada 1996 (Fire) Regie und Buch Deepa Mehta, 104 Min.

Rechtzeitig zum Jahrestag der indischenUnabhängigkeitserklärung, der in allen Medien reichlichbedacht wird, startet ein packender und kritischer Spielfilm einerindischen Regisseurin. "Fire" führt die junge Sita durch dieHeirat mit Jatin zu dessen Familie in New Delhi. Mit Jatinsälterem Bruder Ashok, der Schwägerin Radha, derpflegebedürftigen Mutter Biji und dem geschundenen HausdienerMundu lebt und arbeitet die Familie zusammen um einen Imbiß.Die Romantik zwischen Sita und Jatin ist nach der Hochzeitsreisesofort verschwunden. Sita soll gleich ihre Aufgaben im Haushalterfüllen. Doch sie probiert, kaum allein im Zimmer desEhepaares, die Hosen ihres Mannes an! Die Tanz- und Verführposenvor dem Spiegel sind erste Anzeichen für etwas Unerhörtes,das geschehen wird.

"Fire" blickt tief in die psychologischen Abgründe einerFamilie, die stellvertretend für eine Gesellschaft ist. Dergetretene Hausdiener Mundu vergnügt sich mit den Pornovideos,die Jatin unter dem Ladentisch verleiht. Das verschlosseneFamilienoberhaupt Ashok flüchtete sich vor sexuellen Problemenin einen religiösen Wahn und verkündet nun scheinheilig:"Das Verlangen ist der Ursprung des Verderbens." Jatin hat eineasiatische Geliebte, die in mit all den Freiheiten und derSelbständigkeit anzieht, die seine Familie Sita verbietet. Soerscheint Sita ihm unattraktiv. Sie bleibt mit ihrer Sehnsucht nachLiebe im Haus zurück. Auch Anstand, Verständigung oderRücksicht gibt es nicht zwischen Männern und Frauen. Eineweit verbreitete Unfruchtbarkeit schreibt man immer den Frauen zu.Der Ausweg ist naheliegend, aber überraschend und fürindische Verhältnisse noch gewöhnungsbedürftiger alsfür unsere: Alsdie Nacht fällt, finden Sita und Radha zueinander und inihren Armen endlich das lang entbehrte Glück.

In Indien wird Homosexualität immer noch streng verfolgt, dieStrafen gehen bis zu Lebenslänglich. WeiblicheHomosexualität kommt in den Gesetzen allerdings gar nicht vor,ist in den vielen Sprachen des Landes nicht mal denkbar. Deepa Mehtaerhielt nach dem Film Morddrohungen von indischen Männern. Esist leicht verständlich, daß sich diese beim Anblick ihresgefühlsmäßigen Versagens bedroht fühlen.Vielleicht verärgert "Fire" auch einige Lesben, die ihreSexualität nicht nur als Ersatz für unerträglicheheterosexuelle Beziehungen sehen.

Die unschuldigen, scheinbar naiven Fragen Sitas decken dieSinnlosigkeit alter Rituale auf. Das Nachdenken überTraditionen, die Frauen zu "dressierten Affen" machen, erfolgt mitsehr vielschichtige Figuren. Da wird einfach mal die Feuerprobe zurPrüfung der Reinheit einer Frau vollzogen, auch wennüberhaupt keine Zweifel bestehen. Deepa Mehta läßtSita jedenfalls die Feuerprobe bestehen und führt ihre Frauen ineine ungewisse, aber hoffnungsvollere Zukunft. Ein einfacher Traumvom Glück durchwebt die Geschichte:"Ich möchtenur das Meer sehen."

Der Film macht es sich allerdings nicht einfach, da wird dieFlucht des Dieners Mundu in die Pornos durchaus mit derErfüllung durch eine lesbische Beziehung und einem allgemeinenFreiheitswunsch zusammengedacht. "Fire" ist somit kein "Lesben-Film"Er ist allgemein und vermittelt wie wenig andere Filme etwas vonBeziehungen zwischen Menschen, das nicht nur in IndienGültigkeit hat. "Fire" ist der Beginn einer geplanten Trilogie,dem "Earth" und "Water" folgen sollen.

"Fire" erinnert im Engagement und im wachen, mitfühlendenBlick an die früheren, sozial engagierten Filmen der InderinMira Nair "Salaam Bombay"(1988, Camera d'Or in Cannes) und "Mississippi Masala" (1991). Auchin Nairs "Kama Sutra" steht einFrauenschicksal im Zentrum.


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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