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Fear and Loathing in Las Vegas

USA 1998 (Fear and Loathing in Las Vegas ) Regie Terry Gilliam, 128 Min.

Sie kommen in die Jahre, die 68er. Auch auf dem Regiestuhl und es scheint, in den USA hat sich ein ganzer Haufen Alt-Hippies aufgemacht, ihre berauschendsten Zeiten zu verfilmen. Jung-Spunt Tarantino huldigte "Jackie Brown" im Koks-Gestöber, die Coens präsentierten "Big Lebowski", den coolsten noch lebenden Hippie. Doch der immer noch "Ex-Monty Python" genannte Terry Gilliam fährt sie mit seinem durchgeknallten Vegas-Trip alle über den Haufen.

Vollgeladen mit Drogen vielfältigster Art brechen der Journalist Raoul Duke (Johnny Depp) und sein Anwalt Dr. Gonzo (Benicio del Toro) über Las Vegas her. (Man könnte auch schreiben "fallen ... ein" oder "... hin", aber dann wäre die ausgekotzte Metapher hin.) Die zu berichtende Wüstenrally ist völlig verstaubt, macht aber nichts, denn auch der Blick des subjektiven Reporters ist farbenreich vernebelt. Mit dem Ernst einer berauschten Steuerprüfung startet ein Kleinkrieg gegen virtuelle Geheimagenten, das Establishment, Monster vom Mars und reinigungswütige Zimmermädchen. Die Suite der beiden wandelnden Epizentren Duke und Gonzo erinnert an Bombeneinschläge in Feinkostabteilungen. Das Alltagsverhalten an die mißglückte Paarung eines kleinen Trickbetrügers mit Mussolini. Handlung? Ganz schwach kann ich mich zwischen den Kopfschmerzen an einen fluchtartigen Wechsel des Hotels erinnern. An eine Verfolgungsjagd mit einem seeehr seltsamen Polizisten. Und da war noch das nationale Polizeitreffen gegen Drogenmißbrauch in der Lobby - witzig! Aber es fragt ja auch niemand eine leere Whisky-Flasche nach ihren Erlebnissen der letzten Nacht, also vergessen wir die Handlung ...

Verzerrte Perspektive? Sie sind nicht wiederzuerkennen: Weder Star Johnny Depp noch Terry Gilliam, der Regisseur mit einem großen Fankreis. Benicio del Toro, dieser junge Mann mit dem scharfen Blick aus "Die üblichen Verdächtigen" und "Das Begräbnis", fraß sich gnadenlos fett. Depp verunstaltete sich, indem er ... nein, dieser Schockeffekt soll erhalten bleiben. Und Gilliams Mischung aus Fantasie, Romantik und Satire? Die faszinierenden Welten von "Time Bandits", "Brazil", "König der Fischer" oder "12 Monkeys"? Keine Spur davon in diesem Acid-grellen Wahn ohne Pause oder Höhepunkt, ohne Handlung oder Hemmung.

Doch dieser Drogentrip einer anderen Art erschließt sich vielleicht nur den Lesern von Hunter S. Thompson. Der verschrobene Kultautor wurde in den Sechzigern mit seinem Beitrag zum "New Journalism" berühmt. "Man kann nur dann ehrlich über eine Szene schreiben, wenn man Teil von ihr ist," lautete die Philosophie einer wilden Zeit. Kurz gefaßt nannte Hunter S. Thompson die Sache Gonzo-Journalismus, "Angst und Schrecken in Las Vegas" gilt als Bibel dieses Stils und erschien wie auch William S. Burroughs ähnlich gelagertes "Naked Lunch" als unverfilmbar. Mittendrin in der Verfilmung steckt nun Johnny Depp - der "Fear and Loathing ..." selbstverständlich als eines seiner Lieblingsbücher bezeichnet - und gibt sein Idol Hunter S. Thompson.

"Fear and Loathing in Las Vegas" ist auch ein Historienfilm, die Aufnahme einer Zeit, in der die "Love and Peace"-Ideale schon deutlich den Bach runtergingen - wie eine Menge anderer Sachen im Amerika von Nixon und Vietnam. Raoul sucht in Vegas den Amerikanischen Traum und findet auf seinem Horrortrip - durch oder trotz Drogen - ein "6.Reich". Bewegend waren bei der Premiere des Films in Cannes die persönlichen Äußerungen Gilliams über den Niedergang so vieler Ideale - aber das kann der extrem überzogene Film nicht vermitteln.


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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