City of God

Brasilien 2002 (City of God) Regie Fernando Meirelles, Katja Lund 128 Min. FSK ab 16

Wenn ein gewaltiger Film auch noch gewalttätig ist, tut sich die humanistische Filmkritik schwer. "City of God" ist genial, großartig, grandios - und verheizt mehr als hundert Menschen in seiner zweistündigen Gewaltspirale.

Drei Jahrzehnte in den Favelas von Rio de Janeiro, der Aufstieg von Kindern zu Drogenbossen, der Wandel von einer brutalen, rechtlosen Zeit zur absoluten Hölle, die sich sarkastisch Stadt Gottes nennt: City of God. Der Roman von Paulo Lins, den Fernando Meirelles mit Hilfe von Katja Lund verfilmte, hat 700 Seiten und mehr als 300 Figuren. In diesem großen Erzählrahmen sorgt der junge Fotograf Rocket für Momentaufnahmen, er ist der Erzähler, der nur mit der Kamera schießt. Doch seine Nähe zu Killer-Kids werden ihn zum erfolgreichen Kriegsberichterstatter machen. Die Kumpels sind der halbwegs moderate Gangsterchef Benny sein psychopathischer Partner Lil' Dice. Dass es einen Kampf um die Macht geben wird, gehört zum Genre; dass alles mit der rasanten Flucht eines Huhns beginnt und nach vielen Kamerakreiseln genau zwischen den Fronten erstarrt, gehört in die Abteilung große Filmkunst.

In Anlehnung an Sergio Leone-Klassiker könnte man den Film auch "Once upon a time in the Favelas" nennen. Und auch Vergleiche mit den Gewaltepen von Scorsese braucht dieser Film nicht zu scheuen. Wenn Tarantino in "Reservoir Dogs" oder "Pulp Fiction" seine Gewaltorgien inszenierte, hatte man Spaß dran oder fand es abartig. Doch "City of God" könnte mit seiner detaillierten Schilderung vom Leben und Überleben in den Favelas jeden Sozialarbeiter glücklich machen - wäre da nicht diese unangenehme Brutalität. Und da ist der Film besonders spannend: Er bietet durch seine sensationelle Kunst eine enorme Lust am Zuschauen und knallt einem dann Tatsachen vor die Augen, die man kaum wahrhaben will. Eine der viele schockierenden Erkenntnisse: Die gewissenlosen Killer, die mörderischen Bestien werden immer jünger, die Kinder immer brutaler. Dabei wird sicher jemand bemängeln, dass die kleinen Monster ganz schon cool killen ...

Der seit seiner Premiere Cannes 2002 überall gefeierte Film zelebriert mit allen Mitteln von Bild und Ton seine sehr gut gemachte, packende, originell erzählte und doch unglaublich brutale Geschichte. Bei aller Begeisterung für die Fähigkeiten des Filmemachers kann es einem zwischendurch schon mal schlecht werden. Ob man sich daran gewöhnt, dass Lil' Dice als Pate des Viertels jede kleine Irritation mit einem Schuss beantwortet, oder nicht: Die Aggression überträgt sich, macht wütend, traurig, frustriert, macht auf jeden Fall etwas mit einem!

(... und weil er so gut ist, hier noch eine Lobeshymne von Lars Tunçay ...)


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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