The Butcher Boy - Der Schlächterbursche

GB 1998 (The Butcher Boy) Regie Neil Jordan, mit Eamonn Owens,Alan Boyle, Stephen Rea, Aisling O'Sullivan, Sinead O'Connor, 110Min.

Der Schlächterbursche beginnt seine Lebensgeschichte alskleiner, frecher Francie Brady (Eamonn Owens). Seine Mutter kommtimmer wieder in psychiatrische Behandlung, sein Vater (Stephen Rea)säuft sein musikalisches Talent kaputt. Zusammen mit seinemFreund Joe (Alan Boyle) genießt Francie ein Jungenversteck amFluß, sie pflegen ihre eigene Fantasiesprache, spielenIndianerhelden und werden irgendwann auch Blutsbrüder. (Habendie Iren nicht sowieso eine ideelle Verbindung mit den Indianern?)Dann klauen sie dem verhaßten Phillip Nugent einen StapelComics, doch das Comichafte des Films war schon im Vorspann nicht zuübersehen. Vor allem die originellen Zwiegespräche Franciesmit sich selber als Off-Erzähler geben dem Geschehen einenalbernen bis absurden Klang.

Eine ganze Weile lachen wir mit den Jungens über dieseltsamen Bewohner des Städtchens. Irgendwann wird der WahnsinnFrancies trotz aller ironischer Überzeichnung unübersehbarund das Lachen klingt belegter. Im Hintergrund läuft der KalteKrieg auf die Kubakrise zu, die Angst vor "den Kommunisten"verschmilzt mit der Bedrohung durch Außerirdische. NukleareKatastrophenszenarien beherrschen die Köpfe. Doch auch Francieist eine kleine rothaarige Atombombe, bösartig, gehässig,gemein und kurz vor dem Explodieren.

Aus Wut über eine frühe Gemeinheit Francies beschimpftMrs. Nugent seinen Vater als "Schwein". Mrs. Nugent war eine Zeit inEngland und seitdem hat sie schnippische Allüren, zumindestvermittelt uns das die Perspektive Francies. Die Schweine sauen vonnun an durch den Film. Nachdem der cholerische Junge die Wohnungseiner verhaßten Gegnerin vollschmiert und -scheißt,landet er in genau dem Waisenhaus, das auch schon seinen Vater undseinen Onkel erzog. Doch Francie war nie dumm. Schnell tanzen alleTrottel nach seiner Pfeife - egal ob Schüler oder Leiter derAnstalt. Geschickt macht er sich zum Musterschüler, Ministrantenund hat dann noch eine Marienerscheinung. Selbst einen Angriff aufden alten Pater, der sich an Francies Erzählungen und den vonihm gestellten Mädchenverkleidungen aufgeilt, übersteht dergerissene Junge mit Glanz und Gloria.

Tatsächlich sehen auch wir irgendwann Maria (Sinead O'Connor)und haben Teil an ihren scheinbar sehr banalen Gesprächen.Francie macht sich Sorgen, daß sein Freund Joe einen Goldfischvon dem alten Feind Phillip angenommen hat. Die so verletzteFreundschaft läßt den Wahnsinn des Jungen aufflammen. EineWeile lebt er mit seinem toten Vater und sehr vielen Fliegen in derWohnung, bevor man ihn in eine Nervenheilanstalt verfrachtet, die erseit den frühen Krankenaufenthalten der Mutter "Werkstatt"nennt. Auch hier erlangt er das"Diplom-für-Francie-der-kein-Schwein-mehr-ist". Und längsthat sich der Film vom Komischen ins Tragische gewendet.

Der gebürtige Nordire Neil Jordan war von Patrick MacCabesRoman "The Butcher Boy" begeistert, weil er neben einerzerstörten Kindheit vom Irland der 50er Jahre, der Paranoia undLähmung, dem Wahnsinn und dem Mystizismus erzählt. Das istallerdings im Film nicht unbedingt nachvollziehbar. Der irritiert alseine leicht bewundernde Schilderung eines Wahnsinnigen und löstsein Lachen angesichts eines unfaßbaren Jungen aus. Der besteScherz des Films ist übrigens Sinead O'Connors Auftritt alsschon mal fluchende Maria. Die irische Sängerin hattefrüher mit ihren kahlen Dickschädel heftigstMißstände in der katholischen Kirche angeprangert.


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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