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Boogie Nights

USA 1997 (Boogie Nights) Regie und Buch Paul Thomas Anderson, 155Min.

Unaufhaltsam drohen sie mit ihren Plateau-Schuhen in unsere Kinoseinzufallen: Die Siebziger! Nun startet ein sehr ungewöhnlichesWerk, das in kein Genre oder Schema paßt. "Boogie Nights" zeigtsich stellenweise freizügig, bleibt aber harmlos - was beiseinem Thema nicht zu erwarten war: Denn als wirkten dieschrill-bunten Klamotten mit den Schlaghosen, langen Kragen undKoteletten nicht seltsam genug, als besonderen Höhepunkt bietet"Boogie Nights" eine "Familiengeschichte" aus der Pornoindustrie!

Mit einer superbeweglichen Kamera fängt der erst26-jährige Regisseur Paul Thomas Anderson Aufstieg und Fall vonDirk Diggler in den Jahren von 1977 bis 1983 ein. Als Eddie Adams(Mark Wahlberg) taucht dieser in den Kreisen des PornoproduzentenJack Horner (Burt Reynolds) auf. Der entdeckt Eddies wahreGröße - in der Unterhose - und macht ihn als Dirk Digglerzum neuen Star einer florierenden Sexfilm-Szene. Mit dem Erfolgtauchen wir ins pralle Leben aus Poolpartys, Kokain und sexuellerFreizügigkeit ein. Eddie wird untergehen in diesem Lebensstil,den Erfolg nicht verkraften. Gleichzeitig geht es auch mit derBranche bergab. Denn Video erzwingt den Niedergang von etwas, waseigentlich nie "oben" war, höchstens "dort hintenversteckt".

"Boogie Nights" ist keineswegs besonders dicht, doch immerhingelang der Versuch, ein Zeitgefühl wiederzubeleben weitgehend.Tragik und Komik wechseln einander ab: Die reife Amber Waves(Julianne Moore), anfangs eine Hoffnung auf Menschlichkeit in derabgedrehten Szene, wird später in einem drogenverstärktenMutterwahn versinken. Dann das absolut lächerliche Rollergirl(Heather Graham), das keine Hemmungen hat - nur die Rollschuhe ziehtsie nie aus! Die wenigen, nebensächlichen Drehs der Pornoszenensind vor und hinter der Kamera immer einige Lacher wert. DieDiscomusik der Siebziger kommt wieder voll zur Geltung - und aucheine andere Erfolgsnummer aus dieser Zeit: Burt Reynolds tritt miteiner ernsthaften, guten Rolle ins Rampenlicht. Mark Wahlberg, nureiner von vielen Mitspielern, läßt sich nicht anmerken,daß er bislang Modell für Unterwäsche stand.

Nicht nur amerikanische Kritiker zeigten sich von "Boogie Nights"begeistert, doch der Film hat ein altes Problem: Ist etwas derartBanales die epische Länge (155 Min.) wert? "Boogie Nights" siehtaus wie eine bewußt billige Kopie von "Nashville", "ThePlayers" oder "GoodFellas". Die durchgehenden Kamerafahrten sind noch längerals bei Robert Altman (und tauchen sogar unter Wasser), derPersonenreigen versucht den Umfang von Altman-Filmen zu erreichen,doch ganz passend zum Sujet bleibt trotz der handwerklichenParadestückchen alles recht flach. Nun ist es auch einKunststück, den Stil der einfältigen Pornostreifchennachzuahmen, doch besonders reizvoll kommt es nicht rüber. Sobleibt vor allem der Spaß an und das Mitfühlen mit denwichtigsten Figuren. Die Ernsthaftigkeit, mit der sie eigentlichimmer wieder Filmkunst realisieren wollen. Die tiefe Freundschaft imKern des Drehteams, die im Widerspruch steht zum Image diesesangeblichen "Schmuddelgeschäfts". Und dieser Eddie Adams (MarkWahlberg), eine typisch sagenhafte Gestalt, der als Dirk Digglergroße Karriere macht.


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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