Biester

Erstaufführung (La ceremonie) Fr/BRD 1995, Regie Claude Chabrol, 109 Min."Man kann nur gerecht sein, wenn man moralisch ist." Treibt der alte Zyniker Chabrol hier einen gemeinen Scherz mit dem Publikum, wenn er diese Phrase als Schlüsselsatz anbietet? Nach diesem Film, der kaum merklich zur Bluttat eines Hausmädchens und ihrer Freundin führt, versucht man hilflos zu (be-) urteilen. Doch wo ansetzen? Bei der falschen Moral der Industriellenfamilie, die ein reiches Bild der Harmonie mit feinen, kaum merkbaren Mißtönen bietet? Beim anscheinend hilfsbedürftigen Hausmädchen Sophie?Sie wirkt beim ersten Vorstellungsgespräch ernst, blaß, ängstlich. Den Haushalt meistert sie dann souverän, nur vor Büchern hat sie eine unerklärliche Abneigung. Als klar wird, daß Sophie Analphabetin ist, kommt kurz der Verdacht des Problemfilms auf. Unheilsschwangere Musik stimmte ja schon früh auf Vorsicht und Aufmerksamkeit ein. Doch das unerhörte Ereignis am Ende deutete sich kaum an, noch weniger ist es erklärbar. So gestaltet sich das Zuschauen auch als Suchen, Vermuten und Abtasten - keine psychologische Zwangsläufigkeit gibt den dramatisch festen Weg vor. Ein Freiraum von Spielfilmkonventionen, den Sandrine Bonnaire (Sophie) und Isabelle Huppert (als ihre gefährliche Freundin) vielleicht intensiver hätten ausfüllen können. Sie sind immerhin zwei Frauen, die zur ersten Sahne der französischen Schauspielkunst gehören. So bleibt der Film offen und gleichzeitig hermetisch wie die auffällig ins Bild gerückte Insel. Man müßte ihn noch einmal - vielleicht andersherum - sehen.


Eine Kritik vonGünter H.Jekubzik

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