Auf Messers Schneide - Rivalen am Abgrund

USA 1998 (The Edge) Regie Lee Tamahori, 117 Min.

Überlegen um zu überleben!

Sind reiche Leute anders? Charles Morse (Anthony Hopkins) ist eintypischer Milliardär: Normalerweise sitzt er im noblen Club undschlürft seinen Drink - aber wenn es brenzlig wird, dannblüht er erst richtig auf. Mit traurig-ernstem undmißtrauischen Blick scheint er alles und auf alles immer eineAntwort zu wissen. Er erkennt die versteckten Fallen des Lebens undder Wildnis. Charles liest andauernd, im Moment zufällig dasAbenteuerbuch "Lost in the woods" - Verschollen in den Wäldern!

Es sollte nur ein Fototermin in den Wäldern im Norden werden.Der Milliardär Charles begleitet eher widerwillig seine FrauMickey (Ellen MacPherson) - das Modell - und den Fotografen Robert(Alec Baldwin) mit dessen Team. Die Geburtstagsparty für Charlesist mit bedeutungsschwangeren Geschenken und Gebräuchen nochganz spaßig - wenn auch die grimmige Überraschung dasganze Kino zusammenzucken läßt. Am nächsten Tag beimAusflug ein scherzhaftes Gespräch über Betrug und Mord,dann rammt ein Schwarm Vögel das Flugzeug. Es stürzt ineinen eisigen See und nur drei Männer überleben: Charles,Robert und sein Assistent Stephen (Harold Perrineau). Sie sind Tagevon jeder Zivilisation entfernt, halberfroren und mäßigausgerüstet. Doch der allwissende Charles hat die geeignetenAufmunterungen und Rezepte parat. Selbst als der erste Tag im Kreisverläuft, gibt er den unerschütterlichen Glauben anwissenschaftliche Erkenntnisse und den aufgeklärten Menschennicht auf. Wie ein kleines Kind präsentiert er immer wiederkleine Wissensschätze, anfangs beeindruckend, später nervigaber letztendlich überzeugend.

Das Drehbuch stammt von Purlitzer-Preisträger David Mamet(für "GlengarryGlenn Ross"), einem scharf analysierenden Autoren sozialerThemen. Nach seinem Ausflug in die politische Satire von"Wag the Dog" (und demselbstinszenierten "Spanish Prisoner"), zeigt er nungesellschaftliche Auseinandersetzungen so wie man sie gerne aufsWesentliche reduziert: ein erbarmungsloser Kampf ums nackteÜberleben. Mit der feinen Nuance, daß die Theorien von derBestie Mensch nicht aufgehen. Der britisch kultivierte und soziale,der gebildete und fürsorgliche Mensch hat die bestenÜberlebenschancen in dieser extremen Notgemeinschaft: Manmuß überlegen um zu überleben! Dabei steht dieTypologie des Sozialkampfes auf dem Kopf: Der alte Reiche,Überlegene ist und bleibt sympathisch. Der jüngere,rivalisierende Liebhaber Robert hat nie eine Chance. Der Film fesseltaber nicht nur einem außerordentlichen Anthony Hopkins (alsCharles), der schon in den ersten dichten Bildern unter schwerer,bedrohlicher Musik beeindruckt. Neben den Männergesprächenzeigt der Überlebenskampf in einer "Männerlandschaft" seineFaszination. Die mörderische Natur hat das aggressive,blutrünstiges Gesicht eines enormen Bären.Unnachlässig stellt er den Menschen nach, treibt die Handlungäußerlich voran. (Der etwas einfältig gezeichneteSchwarze und wohl schwule Assistent wird dabei nur alsBärenfutter mitgeschleppt.) Solche kraftvollen, energiegeladenenSzenen in "Die letztenKriegerin" haben den neuseeländischen Regisseur ja auch nachAmerika gebracht. Doch auch wenn der Adrenalin-Spiegel wieder sinkt,bleibt der Mund offen und staunt über diese extremen Menschen.Ein außerordentlicher Film!


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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