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Artemisia

Fr 1998 (Artemisia) Regie Agnés Merlet, ca. 98 Min.

Artemisia Gentileschi (1597-1651) gilt als erste anerkannteMalerin. Über ihr Leben ist wenig bekannt. Die französischeRegisseurin Agnés Merlet entfaltet in "Artemisia" einbetörendes Lebensbild.

Artemisia (Valentina Cervi) traute sich schon alsKlosterschülerin Ungeheuerliches, trieb nachts mit einer Kerzeund einem Spiegel anatomische Selbststudien, verglich sie mit denFresken in der Kirche. Sie ist Tochter des berühmten MalersOrazio Lomi (Michel Serrault), genannt Gentileschi. Als ihre fürdamalige Verhältnisse skandalösen Zeichnungen entdecktwerden, holt sie der Vater nach Hause, wo sie im Namen desgroßen Meisters Bilder vollenden darf und hinter einem Vorhangversteckt das Lob der Auftraggeber erntet. Doch der Anblick nackterKörper bleibt ihr verschlossen. So erfühlt sie erschaudernddie Abdrücke eines Liebesaktes im Sand, legt sich nachKörpererfahrung dürstend hinein, versucht nachzuempfinden.Doch das Interesse für Männerkörper entspringt nurihrer künstlerischen Leidenschaft für Körperstudien.Statt Lust beseelt sie die Faszination anatomischer Details.

Artemisia ist ungezügelt, mutig, neugierig - provokativ inihrer Zeit. Als ihr der Vater nichts mehr beibringen kann und dieAkademie sie wegen des Geschlechts ablehnt, sucht sie sich einenneuen Lehrer. Der ersten Ablehnung von Agostino Tassi (MikiManojlovic) entgegnet sie trotzig: "Ich werde sieüberflügeln. Sie wollen bald mein Schüler sein!"Beeindruckt stimmt Tassi zu und lehrt sie, mit geschlossenen Augen zusehen, um ihr so die Augen wirklich zu öffnen. Doch dann kommenGefühle in die Studien, die Schülerin entkleidet ihrenMeister - eine Verkehrung der typischen Machtverhältnisse! Ineinem Rausch aus Neugierde, Gewalt, Leidenschaft und Liebe vereinigensich Artemisia und Tassi. Danach ist der Skandal nicht mehr zustoppen. Gentileschi klagt seinen Kollegen der Vergewaltigung an, umseine Tochter zu schützen. Der folgende Prozeß istwesentlich brutaler als die vermeintliche Tat und reißt dieIntimität der Künstlerin in die Öffentlichkeit.Artemisia verstummt.

Bei diesem Kunstwerk sind Bilder und Emotionen wichtiger alsHandlungen. Ebenso wie das schreckliche Ende berühren diesorgfältig komponierten Tableaus. Sinnlich wie ArtemisiasGemälde zeichnet der Film sein Bilder, die Stilleben ausFiguren. Den Personen folgt eine nahe, bewegliche Handkamera. DasGesicht der faszinierenden, energischen Valentina Cervi spiegeltArtemisias Eindrücke wieder ohne daß die Kamera sie zeigenmuß.

Merlets ruhig betörender Film erzählt nebenbeiKunstgeschichte(n). Da strömen die Maler erstmals in die Welt,bauen sich ihre Blickfenster am Strand auf - "die neueste Mode" ausFlorenz. Auch Artemisia baut sich ein Atelier im Garten, wo sie dasSonnenlicht einfangen und kontrollieren kann. CaravaggiosEinfluß ist ebensowenig zu verleugnen wie die Parallelen zumFilmschaffen bei all den Experimenten mit Licht zu übersehensind.

Günter H. Jekubzik


Eine Kritik von GünterH. Jekubzik

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