An jedem verdammten Sonntag

USA 2000 (Any given sunday) Oliver Stone, 160 Min.

Was steckt in diesem Football-Spiel nicht alles an Dramatik: Eine Frau schlägt ihren Mann, den Quarterback, die wichtigste Figur im Team, und treibt ihn zum Weitermachen an - trotz der vielen und immer schwereren Verletzungen. Dann der Kampf der Schwarzen gegen die Weißen in der rassistischen amerikanischen Football-Gesellschaft. Der Kampf jung gegen alt, Mann gegen Frau, die Gesundheit gegen den Erfolg. Der Kampf überhaupt, denn der Kriegsfilm-gestählte Stone weiß: Sport ist Krieg. Schade nur, dass Oliver Stones Film all diese Ansätze irgendwann fallen läßt für den üblichen Sportfilm. Ein Sportfilm allerdings mit ungewöhnlich aggressiven Bildern.

Die Mannschaft der "Miami Sharks" mit dem dritten verlorenen Spiel in Folge startet in der Krise. Der angeschlagene Quarterback-Star Cap (Dennis Quaid) wird krankenhausreif gerammt und der junge Ersatzmann Willie Beaman (Jamie Foxx) hat einen bemerkenswerten Auftritt: Er kotzt erst mal vor Nervosität mitten auf Feld - live in Millionen TV-Haushalte hinein. Aber ein paar gute Würfe und erfolgreiche Touchdowns machen ihn zum neuen Star. Ein Hitparaden-Song und das Musikvideo im Stile Will Smiths folgen Hand in Hand mit Überheblichkeit. Nun hat er über eine Stunde Filmlänge Zeit, zu begreifen, dass Football mehr als nur Gewinnen ist. Der Name des jungen Quarterback Willie Beamen stellt als Wortspiel die Frage "Will he be a man?" - Wird er ein Mann sein, in den Siegen und Niederlagen "an jedem verdammten Sonntag"? Die Antwort ist nicht ja oder nein, die Antwort ist ein echter Held, der es allen zeigt.

Das klingt wie Gerede alter Männer an der Bar und manchmal ist es das auch. Der erfahrene, erfolgreiche Trainer Tony D'Amato (Al Pacino) vertritt seit 30 Jahren die alten Werte beim fiktiven Verein Miami Sharks. Das kalte Geschäft besorgt die Erbin und Präsidentin Christina Pagniacci (Cameron Diaz). So kämpfen die TV-Rechte gegen brave Loyalität. Auch die dreckigen Seiten des Spiels, das Gesundspritzen, die Exzesse werden sorgfältig und ausführlich aufgelistet - wie die verschiedenen Perspektiven des Präsidentenmordes in "JFK". Während jedoch Al Pacino solche Themen in "The Insider", dem wirklich großen Film dieses Frühjahrs, klug und genau durchspielen darf, wird hier alles von einer muskelbepackten audiovisuellen Angriffswelle des Football-Platoons plattgewalzt.

Doch das bekannte Spiel, die abgegraste Dramatik bekommen durch den sprunghaften und aggressiven Schnitt den Stone-Touch, einen ästhetischen Kick. So wie Footballspieler am Tropf eine höhere Dosis der Schmerzmittel brauchen, muss der ge-Stone-te Kinogänger immer mehr Signal-Input verkraften. Im Notfall reißt Stone sich dafür ein Auge aus und schmeißt es mitten auf die Leinwand: Ich bin der Bunuel von Heute, sollen diese einschneidenden Mittel wohl sagen. Genau wie er unzählige Perspektiven und Zwischenschnitte an die Köpfe des Publikums knallt, feuert Stone über 50 Musikstücke auf die Ohren ab. Harter Rap, der TripHop Mobys, Klassiker von Monk und Billie Holiday, Klassik von Mussorgsky und Ravel. Immer wieder mischt sich die Tradition in Form von Schwarzweißbildern in die Gegenwart, um zu sagen: Wir sind alle nur Rädchen in einem großen Spiel. Das sagt aber auch Pacino schon. Einmal hätte man es sich sparen können.

Doch diese dicke Packung Männerfilm ist durch das "wie", durch den hemmungslos aggressiven Stil sehenswert. Das Spiel interessiert nicht mehr im Aufeinanderprallen der gepanzerten Körper, im animalischen Brüllen, im ekstatischen Jubel. Dabei verliert Stone, der übrigens immer wieder als begeisterter Sportkommentator selbst zu sehen ist, schon mal das rechte Maß aus dem Auge, gewinnt aber auch großartige, packende Szenen.

PS: Noch ein netter Übersetzungsfehler in der OmU-Version. Der sexuelle "Hand Job" als Lockerungsmittel wird pharmazeutisch vom Alka Seltzer ersetzt!


Eine Kritik von Günter H. Jekubzik

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