Berlinale Notizen 2

Von Günter H. Jekubzik

Berlin. Schon in den ersten drei Tagen konnte die 48. Berlinale mitungewöhnlichen Geschichten Punkte machen - sogar im Wettbewerb: AusGroßbritannien kommt mit "Girls' Night" mal keine Sozialkomödie.Zwar schaut Nick Hurran in seinem Kinofilm-Erstling sehr aufmerksam undanfangs humorvoll auf das Arbeitsleben einer Gruppe von Kolleginnen undFreundinnen. Doch noch bevor für Dawn (Brenda Blethyn) beim Bingo amFrauenabend (Girls' Night) eine finanzielle Glückssträhnebeginnt, tauchen Krankheitszeichen auf, die von einem Tumor im Dawn Kopfherrühren. Als sich die Strahlungstherapie, die Dawn schon vor 13Jahren bei ihrem Brustkrebs durchlebte, als erfolglos und zu quälendherausstellt, resigniert die stille Frau in den Vierzigern. Dann bucht ihreSchwägerin Jackie, mit der Dawn alles teilt, den Traumurlaub nach LasVegas und die Todkranke beginnt ihre letzten Tage gefaßt zu erleben.Angesichts des nahen Todes tritt ihre innere Stärke hervor und dietiefe Freundschaft mit Jackie zeigt ihren ganzen Wert.Sehr still anrührend konzentriert sich "Girls' Night" aufFreundschaft, alltägliche Liebe und kleine Träume. Die in Cannesfür "Lügen und Geheimnisse" ausgezeichnete Brenda Blethyn spieltDawn mit quäkender Stimme und einfacher Sprache anfangs einfältigund sehr sympathisch.

Der seit 30 Jahren präsente und spätestens seit Paul Verhoevens"Der vierte Mann" (1983) international bekannte niederländischeSchauspieler Jeroen Krabbé fand für sein Regiedebüt "LeftLuggage" eine ebenso ergreifende Geschichte: Die junge Studentin Chaja istim Antwerpen der 70er vor allem revolutionäre Studentin, lebenshungrigund konstant ohne Geld. Deshalb übernimmt die nicht religiöserzogene Jüdin einen Job als Kindermädchen bei der strengorthodoxen chassidischen Familie Kalman. Mit engen Jeans oder Minirockprallt Chaja auf puristische Lebensregeln, doch ihre Zuneigung besonderszum stummen kleinen Simcha und die stille Herzlichkeit der Frau Kalman(Isabella Rossellini) überwinden das äußerlich Trennende.Über diesen "Job" erhält Chaja Zugang zu ihrer Vergangenheit,kann ihren Vater verstehen, der seit seiner Flucht in Antwerpen wie einVerrückter nach vergessenen Koffern (Left Luggage) gräbt underlebt etwas von dem historischen und aktuellen Leid Jude oder Jüdinzu sein."Left Luggage" nach dem Roman "Zwei Koffer" von Carl Friedman ist einProjekt von Freunden. Der Regisseur Ate de Jong ("Mein böser FreundFred") produzierte, die römisch-katholische Isabella Rosselliniließ sich dazu überreden, eine ihr in ihren Haltungen und Gestenunbekannte Chassidin zu spielen. Während Krabbé selbst inseiner kleinen Rolle als Patriarch der Kalmans eindrucksvoll düsterdie Traditionen verkörpert und den Schatten des Holocausts auf sichträgt, legte er als Regisseur oft zu dick auf und nimmt der tragischenStory, den guten Bildern und dem erschütternden Ende viel Wirkung.


Eine Kritik von Günter H.Jekubzik

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