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Berlinale 1996 - Die ersten Wettbewerber

Berlin. Vom Eise befreit sind die Filmfestspiele Berlins, und nach einem furiosen Start mit reihenweise außergewöhnlichen Filmen ist auch beim Publikum jedes skeptische Eis gebrochen. Mit "Sinn und Sinnlichkeit" des Taiwanesen Ang Lee ging es in den Wettbewerb. Die Übertragung der Vorlage Jane Austens durch Emma Thompson (für die Produzentin Lindsay Doran) sprühte vor (Wort-) Witz. Das tragische Gefühl verlassener Frauen kam im historischen Gewand nicht zu kurz - wenn auch nicht so überzeugend wie der Humor.

Ein Übermaß an charismatischer Prominenz erwärmte Cineastenherzen: Ein Wochenende mit Emma Thompson, Jodie Foster und John Travolta. Da glänzten die Augen sogar noch in den hinteren Reihen der Pressekonferenzen. Emma gab den freundlich bestimmten Medienprofi, wehrte resolut nervige Fragen zum Privatleben ab. Frau Foster brillierte mit schnellen, treffenden Antworten von außergewöhnlich scharfer Intelligenz. John Travolta wirkte.

Ob nach "Pulp Ficton", seinem grandiosen Comeback auf Socken, noch viel kommt, wird immer zweifelhafter. Travolta ist Mega-Star in der coolen, mit Gene Hackman, Danny DeVito und Rene Russo prominent besetzten Hollywood-Komödie "Schnappt Shorty". Sein raffinierter Geldeintreiber Chili Palmer aus Miami spielt lässig die Idioten der Filmstadt L.A. aus. Doch so originell die Selbstverulkung im Gangster- und Produzentenmilieu spontan wirkt, alle Figuren bleiben seelenlose Typen zum schnellen und schnell vergessenen Vergnügen. Travolta schließt sich an und kann seinem Chili nicht mehr als nur Travolta geben.

Ganz anders Jodie Foster: Ihre zweite Regie "Familienfest und andere Schwierigkeiten" läßt ein verrücktes, überdrehtes Thanksgiving mit viel Gefühl und ohne oberflächliches Sentiment miterleben. Die Heimkehr Claudias (Holly Hunter) bringt eine Kündigung mit, die Tochter meldete dazu ihre erste Liebesnacht an. Der schwule Bruder (Robert Downey Jr.) schubst der zickigen zweiten Schwester den festlich fetten Truthahn in den Schoß und eröffnet die "Heirat" mit seinem Freund. Die schräge Tante (Geraldine Chaplin) gibt ihre heimliche Liebe zum beschwipsten Vater preis. Das sind nur einige der Verwicklungen, mit denen Foster, das ehemalige kleine Mädchen aus "Taxi Driver", in dem mit Lebensweisheit einfühlsam gesponnenen Wunderwerk die Herzen gewinnt. Preise kann der Film außer Konkurrenz leider nicht gewinnen.

Das erleichtert die Situation für den deutsch-schweizer Fest-Film, Dani Levys "Stille Nacht", nicht besonders: Die komplizierte Dreiecks-Geschichte um eine in allen Nervenlagen faszinierende Maria Schrader hat ausgefallene Situationen und Bildideen, einen genialen Soundtrack von Niki Reiser. Doch sie macht sich das Erzählen mit dem offensichtlichen Fokus auf die vereinzelte Innerlichkeit schwer - vor allem im Wettbewerb mit runden, glätteren Konkurrenten.