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Berlinale - Wettbewerbstip

 

Berlin. Bis auf das raffiniert komische Dreiecks-Drama "Faithful" von Paul Mazursky, das am Abend im Zoo zu sehen sein wird, ist der Wettbewerb gelaufen. Wenn heute statt der internationalen Jury - mit unter anderem dem Boot-Kapitän Jürgen Prochnow - das Publikum entscheiden dürfte, wären die Bären schon vergeben. Die beste Stimmung gab es nach der schönen tunesischen Komödie "Ein Sommer in La Goulette". Der halbe Zoo-Palast klatschte arabisch ausgelassen das Abspannlied mit, die neun (!) Darstellerinnen und Kollegen auf der Bühne erhielten minutenlangen Applaus. Im letzten Sommer vor dem Beginn des Sechs-Tage-Krieges 1967 zerstreiten und versöhnen sich die unzertrennlichen "drei Musketiere" im tunesischen Badeort La Goulette wegen ihrer liebeshungrigen Töchter. Die Besonderheit in der leichten, von vielen Laien mitgespielten Fabel des weisen Regisseurs Ferid Boughedir liegt in der Zusammensetzung der Freunde: Ein Araber, ein Jude und ein Christ gehen durch Dick und Dünn. Am Ende des Films wird die Leichtigkeit vorüber sein, der Krieg ausbrechen und Juden sowie Christen aus dem Land treiben.

Nur noch der neueste filmische Leckerbissen von Terry Gilliam, dem ehemaligen Monty Python-Mitglied, dem Regisseur von "Time Bandits", "Brazil", "Die Abenteuer des Baron Münchhausen" oder zuletzt "Der König der Fischer", reicht im Wettbewerb an "Dead Man Walking" heran. Ein Blick - ein wunderbarer Moment (der hier nicht verraten wird) bilden Herz und Höhepunkt von "12 Monkeys", einem Liebesfilm, einem Science-Fiction, einer düstere Zukunftsvision und einem packenden Thriller auf mehreren Zeitebenen.

Im Jahr 2035 lebt das, was von der Menschheit noch übrig ist, unterirdisch. Die Herrschenden schicken immer wieder "Freiwillige", d.h. Gefangene in die Vergangenheit und an die von tödlichen Viren und Tieren verseuchte Oberfläche. Auch James Cole bleibt nichts anderes übrig, als in der Zeit zu reisen. Seltsamerweise tauchte die Psychiatrie-Ärztin, die den verstörten Helden im Jahre 1990 aufliest, schon immer in Coles Träumen auf.

Der beste, ausgefeilteste Plot, die tollsten Kulissen - das Design beruht auf eigenen Entwürfen Gilliams - und ein furioses Zitieren der Filmgeschichte machen "12 Monkeys" zum Genuß erster Kategorie.

Die meisten Zuschauer zog dagegen "Mary Reilly" an, die Dienstbotensicht der Dr.Jekyll und Mr.Hyde-Geschichte, inszeniert von Stephen Frears. Julia Roberts als unüberwindlich sanfte Mary, John Malkovich als dämonischer Januskopf und das neblige London in sorgfälltigst stilisierten Bildern machen die romantische Schauergeschichte attraktiv.