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Once Upon a Time in Hollywood

USA 2019 Regie: Quentin Tarantino, mit Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Margot Robbie, Al Pacino 159 Min.

Der neue Tarantino führt sein Traum-Hollywood der 60er Jahre vor, erzählt die Karriere von Clint Eastwood als tragisch-lächerliche Witzfigur nach und macht aus den „Manson-Morden“ an Roman Polanskis Frau Sharon Tate ein Happy End. Endlich mal interessanter Inhalt bei dem gewaltbereiten Kult-Regisseur, der erst in den letzten 15 Minuten wieder seinem Blutrausch verfällt.

Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) ist ein stotternder, unsicherer und weinerlicher Star, der den Schurken einer Fernseh-Westernserie spielt. Sein meist schweigsames Stunt-Double Cliff Booth (Brad Pitt) ist wegen vieler Blödheiten und dem vermeintlichen Mord an seiner Frau jetzt ein arbeitsloser Stuntman. Doch weiterhin noch Chauffeur, Psychiater, Hausmeister und Freund Ricks. Er leiht ihm beispielsweise seine Sonnenbrille, „weil man nicht vor Mexikanern weinen soll“.

Rick und Cliff sind allerdings nicht die ideale Kombination für die üblichen lakonischen und witzigen Tarantino-Dialoge. Aber der Meister des gewaltsamen Kult-Films kann auch anders. Im Gegensatz zur langen, offenen Eröffnung von „The Hatefull Eight“ geht es hier spritzig mit kleinen Einblendungen und anderen Scherzen los. Man feiert Tarantinos Freude mit, alte und meist billige Filmchen selber nach zu drehen.

Und es scheint um etwas zu gehen. Das Verhältnis zur Gewalt – von Kritikern kritisiert immer ein Thema bei Tarantino – wird von den Hippies genannten Anti-Hippies der Manson-Familie auf den Punkt gebracht: „Wir bringen die Leute um, die uns das Morden beigebracht haben.“ Dabei scheint die Hauptfigur Rick mehr Skrupel zu haben, als der Film, wenn es darum geht, ein Haufen Nazi-Offiziere mit dem Flammenwerfer zu grillen.

Ja, in diesem Fantasie-Hollywood rund um die frühen 70er Jahre schaut sich Sharon Tate (Margot Robbie) noch kindlich begeistert ihren Film „Rollkommando“ („The Wrecking Crew“) mit Dean Martin und Elke Sommer an. Ihr Mann, Roman Polanski, ist der Nachbar von Rick. Man weiß, dass Manson und seine Begleiter/innen am 9. August 1969, also vor fast exakt 50 Jahren die schwangere Sharon Tate und vier Andere umgebracht haben. Zwar wird uns Tarantino ein, nur um eine Hausnummer verändertes, ebenso grausames Ende präsentieren. Doch die dunklen Andeutungen funktionieren. Ein verführerisches junges Mädchen namens Pussycat bringt Cliff zur Spahn‘s Movie Ranch, dem Gelände eines alten Western-Filmstudios, auf dem die sektenähnliche Gang haust. Die unheimliche Szenerie löst der Stuntman schlagkräftig auf – so wie er vorher auch schon den als lächerlichen „Chinamann“ dargestellten Bruce Lee vermöbelt hat.

Eine weitere Ebene deutet schon der Titel mit „Once upon a time …“ an: Die Karriere von Rick Dalton ist frei nacherzählt die von Clint Eastwood. Der Karrieretipp von Al Pacino für den abgehalfterten TV-Cowboy lautet, nach Italien zu gehen und da Western zu drehen. Wir wissen aus der Filmgeschichte, dass Eastwood so Mitte der Sechziger eine neue Stufe in seiner Karriere erklomm. Er trumpfte mit „Für eine Handvoll Dollar“ von Sergio Leone auf. Dessen großer Film hieß im Original „Once Upon A Time in the West“ („Spiel mir das Lied vom Tod“). In Tarantinos Nacherzählung heißt der Regisseur Sergio Corbucci, der neben Leone eine andere Legende des Italo-Westerns ist.

Hinter der für den „Pulp Fiction“-Regisseur typisch üppigen Inszenierung mit vielen Insider-Scherzen, lässigen Darstellern und megalomanem Stilwillen zeigt sich „Once Upon a Time in Hollywood“ als der interessanteste, weil inhaltsreichste Tarantino seit langem – oder gar überhaupt. Die große kulturgeschichtliche Erzählung vom Ende des Sommers der Liebe, den die Manson-Morde symbolisieren sollen, bekommt durch den Tarantino-Blick eine neue Interpretation. Das kann viele begeistern – bis der berühmteste Gewalt-Regisseur in der letzten Viertelstunde mit einer unglaublichen Brutalität aufräumt. Man fragt sich da, wer einen mehr abstößt, die mörderischen Aussteiger oder die ultrabrutalen „Guten“. Aber so weit darf man beim großen Spielfilm-Kind Tarantino, das es nie aus seiner Videothek ins richtige Leben schaffte, nicht denken. Einfach genießen, Spaß haben und am Ende beide Augen zudrücken.


Ein FILMtabs.de Artikel