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Der Flohmarkt von Madame Claire

Frankreich 2018 (Le Dernier vide-grenier de Claire Darling) Regie: Julie Bertuccelli, mit Catherine Deneuve, Chiara Mastroianni, Alice Taglioni, Laure Calamy, 95 Min. FSK ab 0

Alles muss raus! Madame Claire lässt ihr vollgepfropftes Haus entrümpeln. Das löst im kleinen französischen Dorf einen Strudel von Erinnerungen aus. Julie Bertuccelli („The Tree“, „Seit Otar fort ist…“) stattet Catherine Deneuve mit schöner Filmkunst und einer begrenzt bewegenden Geschichte aus.

Eine Stimme sagt ihr nachts, dass sie bald sterben wird. Deshalb will die vornehme, aber immer öfter seltsame Madame Claire gründlich aufräumen. Ein paar Arbeiter von der Straße räumen Möbel, Antiquitäten, Kunstwerke und viel historische Spiel-Automaten für Erwachsene aus der Villa in den Garten. Madame Claire verlangt von Käufern nur ein paar Euro, während sie die Helfer mit Hunderten entlohnt. Die entfremdete Tochter Marie (Chiara Mastroianni), die herbeigerufen wird, sieht mit Entsetzen, dass Familienportraits, Fotoalben und sogar ihre ungeöffneten Briefe verkauft werden. Zwanzig Jahre hatte sie die Mutter nicht mehr gesehen.

Unter den vielen Käufern rennt ein kleines Mädchen durch Garten, Haus und das Leben der Claire Darling, verbindet die Jahrzehnte. Mit enormer Eleganz fließen die Zeiten ineinander, wir sehen eine junge Mutter, eine verzweifelte Ehefrau und eine manische Sammlerin. Und nicht allein die verwirrte alte Claire Darling verliert sich in den Zeiten der Erinnerung. Wunderschön warm gezeichnet wechselt die Perspektive zu den Erinnerungen der Tochter. Der Madame Claire eng verbundene Priester stellt den Wert materieller Dinge in Frage. Diese offensichtliche Veräußerung des Vergänglichen tritt als einfache Erkenntnis hinter einer tragischen Familiengeschichte zurück. Mit jedem ans Licht gebrachten Gegenstand treten mehr Geheimnisse hervor.

Bei aller dramatischen Schwere, die allein die Beschreibung vermuten ließe, geriet die Verfilmung des Romans „Faith Bass Darling’s Last Garage Sale“ von Lynda Rutledge sehr leicht und verspielt. Catherine Deneuve ist der rauchende und mürrisch dreinblickende, kapriziöse Star der Geschichte. Die Diva wird mit schöner Fotografie und biografischen Details gewürdigt: Als der Jahrmarkt ins Dorf einzieht, muss man an Jacques Demys wunderbares Musical „Die Mädchen von Rochefort“ (Les Demoiselles de Rochefort, 1967) mit Deneuve und ihrer Schwester denken. Das Zusammenspiel von Mutter und Tochter bekommt einen besonderen Reiz, weil Catherine Deneuve und Chiara Mastroianni ihre wirkliche Beziehung wieder in einem Film nachspielen.

Regisseurin Julie Bertuccelli zeigte in ihren Filmen „The Tree“ und „Seit Otar fort ist…“ bewegende Familiendramen in Australien (mit Charlotte Gainsbourg) oder Georgien. Ausgerechnet bei der aus Texas in ihre französische Heimat versetzten Geschichte der Claire Darling überlagert das anschauende Staunen das Mitfühlen. Es ist wie mit den Automaten der nicht besonders liebevollen Mutter: Reizvoll anzuschauen, faszinierend perfekt in der Mechanik, aber irgendwo fehlt das Gefühl.


Ein FILMtabs.de Artikel