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Green Book

USA 2018 Regie: Peter Farrelly, mit Viggo Mortensen, Mahershala Ali, Linda Cardellini 131 Min. FSK ab 6

Als Tony Lip (Viggo Mortensen) vom Türsteher-Job nach Hause kommt, sind fast alle Männer seiner großen italienischen Familie dort. Denn es arbeiten zwei schwarze Klempner bei seiner Frau. Da kann man nie wissen – es ist 1962 in den USA! Tony schmeißt dann auch direkt die Gläser weg, aus denen die Handwerker getrunken haben. Dabei haben es Tony und seine Frau nicht richtig dicke. Weil der Nachtclub wegen Renovierungen schließt und Tony nicht jeden Tag bei Wetten für 50 Dollar sagenhafte 30 Hamburger runterschlingen kann, braucht er einen neuen Job

Die Vorstellung bei einem „Doktor“, der in einer riesigen Wohnung voller afrikanischer Dekoartikel über der Carnegie-Hall lebt, ist nicht besonders hoffnungsvoll. Aber der berühmte Pianist Dr. Don Shirley (Mahershala Ali) hat viel Gutes von Tony Lip gehört. Wie der massive Mann zu Anfang des Films einen unverschämten Gast zu Brei geschlagen hat, muss zu diesen Qualitäten gehören. Denn Don Shirley will auf eine besondere Tournee in die Südstaaten, wo Rassen-Trennung und -Hass noch nichts von den neuesten Entwicklungen von Menschlichkeit und Gesetz mitbekommen haben. Der titelgebende „Negro Motorist Green Book“ ist immer bei der Reise dabei, in die Tony schließlich einwilligt: Ein Reiseführer für die schwarze Bevölkerung, mit Adressen von Restaurants, Unterkünften, Apotheken oder Friseuren, die afroamerikanische Bürger im Süden aufnahmen und bedienten. Es erschien bis 1966.

Vom ersten Duell mit des Doktors indischem Diener, wer die Koffer in den Wagen laden muss, ist dieses Road Movie ein „Culture Clash“. Nicht so sehr zwischen dem ungemein kultivierten und genialen Klavierspieler Dr. Don Shirley sowie den menschenverachtenden Hinterwäldlern, den Rassisten und Rednecks. Auch wenn Tony seinen Pianisten öfters mal retten oder auch raushauen muss, „Green Book“ ist ein Film der leisen Töne. Wie der dumme ungehobelte, stillose Ignorant und Rassist Tony, immer gewalttätig und fluchend oder fettig fressend, mit dem kühlen Kulturmenschen zurechtkommt, ist eine stimmige, gelungene und wahre Geschichte.

Regisseur Peter Farrelly entwickelte die Story zusammen mit Nick Vallelonga, dem Sohn von Tony „Lip“ Vallelonga. Ja, der Peter Farrelly von den Farrelly-Brüdern, die „Alle lieben Mary“ und viele andere Blödelkomödien berühmt wurden. Ziemlich unglaublich, aber hier bestehen Peinlichkeiten nicht daraus, dass Idioten im Winter mit der Zunge am Laternenpfahl festfrieren. Hier sind Peinlichkeiten schmerzhaft für die Seele, wenn Dr. Shirley in typischer Südstaaten-Villa vor edler Gesellschaft spielt und in der Pause nicht die Toilette der Weißen benutzen darf. Tony würde da wieder dreinschlagen, denn mittlerweile sieht und fühlt auch er die Menschenverachtung des Rassismus. Aber die beiden weißen, jüdischen Begleiter in Shirleys Trio erklären, dass es gerade der Wunsch des berühmten Schwarzen sei, trotz solcher Bedingungen im Süden zu spielen.

So entsteht die menschelnde Reibung dieses „Driving Miss Daisy“ mit Fahrerwechsel zwischen einem knallharter Lehrer in Manieren und Lebensstil und dem streng zurechtgewiesenen Fahrer. Dr. Shirley kennt allerdings Little Richard oder Chubby Checker und die sonstige populäre schwarze Kultur der Zeit nicht. Welche ihm Tony zusammen mit einem fettigen Hähnchen-Schenkel aufdrängt.

Ja, dieser ungehobelte Schläger mit den Mafia-Verbindungen ist eigentlich ein guter Kerl. Auch wenn die Wandlung zur Freundschaft recht plötzlich und nicht ganz nachvollziehbar vor sich geht, kann man sich den anrührenden und gefeierten, einfühlsamen und aufmerksamen „Green Book“ gut anschauen. Aber für die realen Gegenstücke draußen auch auf deutschen Straße ist diese Vorstellung wenig hilfreich: Sie das eigentlich alles gute Kerle, die Menschen mit dunklerer Haut jagen und schlagen? Oder Flüchtlingsheime anzünden? Doch zumindest im Film wird alles gut.


Ein FILMtabs.de Artikel