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Drei Gesichter

Iran 2018 (3 Faces) Regie: Jafar Panahi, Behnaz Jafari, Marziyeh Rezaei 100 Min.

Es wäre ein grandioser Lubitsch-Witz, wenn es nicht so traurig wäre: Nachdem ihm 2010 Berufsverbot und Hausarrest auferlegt wurde, hat der iranische Filmmacher nun seinen vierten Spielfilm veröffentlicht. „Drei Gesichter“ könnte auch „Drei Frauen“ heißen, ist ein ruhiges Road-Movie in iranische Dörfer und eine nette Hommage an den dortigen Meisterregisseur Abbas Kiarostami (1940-2016).

„Drei Frauen“ beginnt mit einem Hilferuf eines Mädchens per Handy-Video an Jafar Panahi: Man würde ihn und seine Filme kennen, deshalb hätte es Hilferufe gegeben, auf die er aber nicht reagiert hätte. Jetzt sei es zu spät. Und dann erhängt sich die junge Frau. Schockiert schauen sich Jafar Panahi (Jafar Panahi) und die berühmte Schauspielerin Behnaz Jafari (Behnaz Jafari) den Clip an. Sie sind schon auf dem Weg zum Ort des vermeintlichen Selbstmordes, zu einem Dorf im Norden des Irans. Dort werden als Prominente aber auch als desinteressierte Menschen aus der Stadt begrüßt, lernen seltsame Sitten kennen und erfahren das Geheimnis nicht nur vom Mädchen Marziyeh Rezaei (Marziyeh Rezaei) aus dem Video.

„Drei Gesichter“ ist ein Road-Movie wie von Abbas Kiarostami, der mit „Der Wind wird uns tragen“ oder „Und das Leben geht weiter“ Erdbeben-Gebieten oder mit Juliette Binoche in „Die Liebesfälscher“ historische Stätten einer alten Liebe inszenierte. Wie schon als Taxifahrer in Teheran sitzt Jafar Panahi wieder selbst am Steuer und was sich wie Notlösung anhört, wird zur äußerst raffinierten Angelegenheit, zum Plädoyer für Gleichberechtigung.

Selbstverständlich ist es nicht wirklich ein echtes Video, das Panahi zugesandt wurde. Oder doch? Der Film selbst spielt mit den Zweifeln. Und das kann er auf hohem Niveau, denn derartige Täuschungen gibt es im iranischen Film schon lange fast als eigenes Genre. Etwa wenn ein angebliches Casting für einen Kiarostami-Film (fiktiv) vor Gericht verhandelt wird. Der Wunsch, zum Film zu kommen, ist auch hier Thema für drei Frauen, die sich hinter den drei Gesichtern verbergen: Marziyeh inszenierte ihren Selbstmord, um trotz der üblichen strengen Familie an die Schauspielschule zu dürfen. Die dadurch involvierte Behnaz Jafari, die zwischen eingebildet und mitfühlend changiert, muss am nächsten Tag wieder pünktlich am Set sein. Und als magischer Fund der Reise versteckt sich die ehemals prominente, aber nun vergessene Maedeh (Maedeh Erteghaei) am Rande des Dorfes.

Auch ohne Erwähnung oder deutliches Zitat spürt die ganze Zeit Kiarostamis Erbe. Panahi war sein Assistent und nachdem „Taxi Teheran“ die begrenzte Situation im Auto vom Porträtfilm „Ten“ kopierte, übernimmt der Schüler nun die Reise aufs Land von Kiarostamis „Der Wind wird uns tragen“ und „Und das Leben geht weiter“. Und auch das weiß man vom Altmeister, selbst wenn mal nicht so viel passiert, lohnt es sich immer, auf die letzte Szene zu warten. Poetisch, nicht politisch, gehen hier die Frauen ihren eigenen Weg, während mit absurdem Theater der bewegungsunfähige alte Bulle entsorgt wird.


Ein FILMtabs.de Artikel