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Mary Shelley

Großbritannien, Luxemburg, USA 2017 Regie: Haifaa Al-Mansour, mit Elle Fanning, Douglas Booth, Tom Sturridge, Bel Powley 120 Min. FSK ab 12

„Die Frau, die Frankenstein erschuf“ ist wohl einen biografischen Film wert, auch wenn ihre Zeit- und eventuellen Bettgenossen Percy Shelley und Lord Byron in dieser Literaturgeschichte ein Wörtchen mitreden. Elle Fanning rettet als Mary Godwin das allerdings konventionelle Gefühlsfilmchen. Dass die Emanzipationsgeschichte von einer in Saudi-Arabien geborenen Künstlerin inszeniert wurde, spürt man nicht.

Die in Saudi-Arabien geborene, aber im Westen ausgebildete Regisseurin Haifaa Al Mansour beeindruckte mit ihrem bewegenden Film „Das Mädchen Wadjda“ über ein junges Mädchen, das sich in Saudi-Arabien mit dem Wunsch, Fahrrad zu fahren, emanzipiert. Es war 2012 der erste echte saudi-arabische Film. Dass sich Haifaa Al Mansour für eine berühmte Emanzipations-Geschichte eignet, wäre denkbar. Der Plan geht jedoch in „Mary Shelley“ nicht wirklich auf.

Die 16-jährige Mary (Elle Fanning), Tochter des Sozialphilosophen William Godwin und der verstorbenen Schriftstellerin Mary Wollstonecraft, trifft 1814 mit dem romantischen Dichter Percy Shelley (Douglas Booth) zusammen. Ihrer Leidenschaft folgend, flieht Mary mit Shelley. Dessen Karriere und Vermögen erleben ein dauerndes Auf und Ab, Schulden lassen ein gemeinsames Kind sterben. Shelley beginnt eine Affäre mit Marys Halbschwester und zu dritt reisen sie zu Lord Byrons Villa am Genfer See, wo das miserable Wetter die Grundlage zu „Frankenstein“ legt. Ein gemeinsamer Schreibwettbewerb ermutigt Mary, ihr literarisches Talent auszuleben. Selbstverständlich wird der mittlerweile 18-jährigen Frau das Werk nicht abgenommen: Nur anonym, mit Shelley als vermutetem Autor, kann es erscheinen.

Mit viel Gefühl legt „Mary Shelley“ seinen Schwerpunkt auf die „arme, leidende und liebende Frau“. Charakterisiert wird die berühmte Autorin vor allem durch den Tod ihrer Tochter und die Untreue ihres Partners. Das Künstlerische – sowohl bei der Autorin als auch im Film – bleibt zweitrangig.

Dunkel ist noch lange nicht „gothic“, oft wirkt der Stil nur dekorativ. Wirklich im Geist des literarischen Genres war 1986 der Horror-Film „Gothic“ von Ken Russell inszeniert. Gabriel Byrne spielte Lord Byron, Julian Sands Percy Shelley und Natasha Richardson Mary Shelley. Überdeutlich werden bei Haifaa Al-Mansour die Bestandteile von „Frankenstein“ in die Geschichte eingestreut, das gerade populäre Wiederbeleben von toter Materie beim „Galvanisieren“, die chemischen Experimente. Marys Albträume sorgen für etwas Horror, das eigentliche Grauen sind jedoch die Männer. Die Poeten Shelley und Byron hampeln hier als besoffene und kindische Idioten herum. Der lüsterne Lord wirkt in der Darstellung von Tom Sturridge eher bukolisch als diabolisch.

Spannende Momente gibt es allerdings auch: Das Gespräch mit Shelley, nachdem er zum ersten Mal Frankenstein gelesen hat. Er will die perfekte Kreatur schildern, Mary hingegen sieht nach ihren Erfahrungen und Erlebnissen das Monster als Sinnbild der Menschheit. Die Ironie, dass sowohl Mary Godwin als auch Byrons Arzt John Polidori (Ben Hardy) bei diesem Aufenthalt Geschichten über ihre jeweiligen Monster schrieben, und genau diese Männer jeweils fälschlicherweise als Autoren gehalten wurden, blitzt auch auf.

Letztlich rettet Ellen Fanning „Mary Shelley“ – die nach Filmen wie „How to Talk to Girls at Parties“, „Jahrhundertfrauen“ oder „The Neon Demon“ wieder einmal außerordentlich agierende Hauptdarstellerin macht das brave Filmchen zu etwas Besonderem. Wenn auch viele der Kostüm-Szenen gesetzt wirken, ihre Momente sind lebendig und machen neugierig auf die Autorin Mary Wollstonecraft Shelley.


Ein FILMtabs.de Artikel