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Mary Poppins’ Rückkehr

USA 2018 (Mary Poppins Returns) Regie: Rob Marshall, mit Emily Blunt, Lin-Manuel Miranda, Ben Whishaw, Emily Mortimer, Julie Walters, Colin Firth, Meryl Streep 131 Min. FSK ab 0

Charme-Update

Es ist 54 Jahre her, seit Walt Disney mit dem Kinderfilmklassiker „Mary Poppins“ nach langem Kampf mit der Autorin P. L. Travers viele Herzen eroberte. Das vorsichtig modernisierte Remake „Mary Poppins’ Rückkehr“ schafft es tatsächlich, den alten Charme zu bewahren. Eine ganz besondere Super-Nanny, perfekt besetzt mit Emily Blunt, kann mit Schirm und Handtasche in einer Welt voller Superhelden bestehen.

Es sind im Film nur ein paar Jahrzehnte vergangen, seit Mary Poppins das erste Mal die Familie Banks rettete. Im London der 1930er Jahre sind die Kinder von damals erwachsen: Michael Banks (Ben Whishaw) arbeitet wie sein Vater für die Bank, die ihm nun sein Haus abnehmen will. Der verträumte Maler kam mit den Ratenzahlungen nicht hinterher, es ist Wirtschaftskrise. Seine Schwester Jane Banks (Emily Mortimer) kämpft derweil für die Rechte der Arbeiter. Die drei Kinder, Annabel (Pixie Davies), Georgie (Joel Dawson) und John (Nathanael Saleh), sorgen sich wieder viel zu sehr um ihr Zuhause und vermissen die verstorbene Mutter.

Da niemand besser weiß als Disney, wie viel das alte Erbe wert ist, muss um das Haus der Familie Banks gekämpft werden. Zeit für den nächsten Auftritt von Mary Poppins. Während es in den Himmeln von allen anderen Kinos nur so vor fliegenden Superhelden wimmelt, kommt das Kindermädchen wieder altmodisch an ihrem Regenschirm auf London hernieder. Ganz wie einst Julie Andrews. Doch Emily Blunt („A quiet place“, „Girl on the train“, „Sicario“) ist genau die Richtige, um an Andrews zu erinnern und sie gleichzeitig vergessen zu lassen. Die irritierend divenhafte, besserwisserische, eitle und kapriziös strenge Nanny mit dem ganz großen Herzen für Kinder und gute Menschen ist weiterhin zeitlos aus der Zeit gefallen. Eine Superheldin aus einer stilvollen Zeit ohne Superhelden.

Der vielfältige Fachmann Rob Marshall („Into the Woods“, „Chicago“) hat den sehr beliebten Klassiker mit Material der sieben zusätzlichen Bücher, die P.L. Travers schrieb, die aber nie verfilmt wurden, sanft modernisiert. Noch immer gibt es eine altmodisch hand-gezeichnete Musical-Sequenz, ein echter Augenschmaus. Unter den vielen neuen Liedchen findet sich auch tatsächlich eine sehr altertümliche Ballettnummer mit den Kollegen des einstigen Schornsteinfeger-Lehrlings, der nun für die Gaslampen zuständig ist. So wie dieser Retro-Moment mit Rap-Musik und Fahrrad-Stunts in Richtung HipHop ausklingt, enden einige Szenen aber auch in echter Action. Doch insgesamt vollbringt Mary Poppins bei ihrer Rückkehr das Wunder, gleichzeitig Feiertags-Zerstreuung und Film-Museum zu sein.

Dass dies so lange dauerte, ist wohl auch der 1996 verstorbenen Frau Travers zu verdanken. Wie schwierig die Verhandlungen mit ihr waren, kann man in dem netten „Saving Mr. Banks“ sehen, Tom Hanks spielt darin Disney.

Die herrlich altmodisch nachkomponierte Musik wird die Großeltern im Kino erfreuen. Eine alberne Shownummer von Meryl Streep bringt noch einen großen Namen aufs Plakat. Dabei bleibt die Disney-Geschichte auch 2018 ein Märchen: Neuerliche Erkenntnisse der Immobilien-Krise über unmoralische Banker (hier Colin Firth) werden mit märchenhaften Lösungen beantwortet. Die gewerkschaftlichen Aktivitäten von Jane sind reine Staffage ohne Folgen. „Mary Poppins’ Rückkehr“ lebt wie die Ur-Ahnin von Momenten, Szenen, Liedern. Heute fällt das Fehlen von Entwicklung und schlüssiger Handlung vielleicht stärker auf. Doch die Magie des zauberhaften Kindermädchens wirkt mit Spaß und Rührung auch noch heute.


Ein FILMtabs.de Artikel