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Juliet, Naked

USA, GB 2018 Regie: Jesse Peretz, mit Ethan Hawke, Rose Byrne, Chris O’Dowd 98 Min.

Der neue Hornby liefert in der Verfilmung wieder alle Qualitäten und allen Spaß, die wir seit High Fidelity“, „About a Boy“ und „Fever Pitch“ lieben, dazu einen Ethan Hawke mit reizender Alter-Coolness. Romantisch, lustig, klug und verrückt – die absolute Kinoempfehlung für alle, die nicht in der Potter-Phase hängengeblieben sind.

Es geht selbstverständlich um Musik, denn die Romane von Nick Hornby sind immer „High Fidelity“. Auch ist der typische, nerdige Musik-Fan wieder dabei. Allerdings nicht mehr in der Hauptrolle, die John Cusak 2000 in Frears „High Fidelity“ und Hugh Grant 2002 in „About a boy“ der Weitz-Brüder übernahmen. Im Zentrum des sehr einfühlsamen „Frauenfilms“ „Juliet, Naked“ steht jetzt die teilnahmslos vor sich hin lebende Ehefrau Annie (Rose Byrne). Verheiratet mit dem Musik-Fan Duncan (Chris O’Dowd) ist Liebe und Leidenschaft nur noch eine Erinnerung. Und auch Duncan begeistert sich vor allem für seine Fan-Website über den einst gefeierten Musiker Tucker Crowe (Ethan Hawke). 25 Jahre ist es her, dass dessen letzte Platte veröffentlicht wurde. So kritisch Duncan in seinem Dozenten-Job den US-Film analysiert, so hemmungslos feiert er alles von seinem Idol. Um ein im geheimnisvollen Umschlag zugesandtes, neues Album „Juliet, Naked“ umgehend zu hören, akzeptiert er sogar ohne Irritation die Batterien aus Annies Vibrator für seinen Disc-Player.

Doch ausgerechnet aus Annies Verriss der Songs entwickelt sich ein persönliches Online-Gespräch der einsamen Frau mit der von ihrem Mann vergötterten Legende Tucker. Hier verstehen sich zwei trotz des Atlantiks zwischen ihnen. Sehr nette Musik kommentiert die transatlantische Brieffreundschaft, aus der mehr werden könnte. Und dann geht Duncan mit seiner neuen Kollegin fremd.

In „Juliet, naked“ finden sich zwei wunderbar normale Menschen trotz einiger vertaner Jahre. Die durch die australische Schauspielerin Rose Byrne („Marie Antoinette“, „Mit besten Absichten“) wunderbar verkörperte Traurigkeit und Tristesse von Annies Ehe mit einem seltsamen Fan-Boy wird ebenso mit schönem Humor erzählt, wie das fast wundersame Auftreten Tuckers im britischen Küsten-Örtchen, dessen Hauptattraktion bislang ein eingelegtes Hai-Auge darstellt. Wenn nun Tucker im Kaff leibhaftig vor Duncan steht, ist das herrlich ausgedachter und brillant gespielter Slapstick. Der eigentlich mit seiner peinlichen zweiten Jugend beschäftigte Clown bekommt den Mund nicht mehr zu. Wie nerdige Fans ohne Respekt und Distanz ihre wahnsinnige Obsession auf den Künstler kippen, basiert sicher auf eigene Erfahrungen des erfolgreichen Autors Nick Hornby.

Ethan Hawke („Before Midnight“, „Maudie“, „Boyhood“) legt in bester Jeff Bridges-Manier einen gescheiterten, aber eigentlich zufriedenen Rocker und Egoisten hin. Der altersweise versucht, das Chaos der vielen Kinder aus verschiedenen Beziehungen und der eher nicht freundlichen Ex-Frauen zu meistern. Er hat Nachwuchs im Ãœberfluss, in Annie hingegen keimt ein unterdrückter Kinderwunsch auf. Die sehr realistische und bodenständige Romanze bekommt mit einer Hommage an „Waterloo Station“ von „The Kings“ den Leitsong und einige wunderbare Szenen dazu. Im tollen, perfekt besetzten Ensemble darf neben Chris O’Dowd („Am Sonntag bist du tot“) als herrlichem Idioten auch Azhy Robertson als Tuckers jüngster Sohn Jackson gute Momente und Einsichten in ein kompliziertes Erwachsenen-Leben haben. „Juliet, Naked“ ist ein Kino-Ereignis, dass gekonnt britische Film-Schrulligkeit mit der Lässigkeit von US-amerikanischer Independent-Filme vereint.


Ein FILMtabs.de Artikel