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Aufbruch zum Mond

USA 2018 (First man) Regie: Damien Chazelle mit Ryan Gosling, Jason Clarke, Claire Foy 142 Min. FSK ab 12

Ein kleiner Schritt für die Filmgeschichte und nichts ganz Großes fürs Kino: Nach „Whiplash“ und „La La Land“ schießt Damien Chazelle seinen Lieblings-Schauspieler Ryan Gosling als Neil Armstrong auf den Mond.

„Huston, wir haben ein Problem!“ Nicht nur eines, sondern richtig viele hatte das amerikanische Raumfahrtprogramms zwischen 1961 und 1969, wo es mit dem ersten Menschen auf dem Mond endlich die Sowjets überholen konnte. Viele Probleme hat auch Neil Armstrong (Ryan Gosling). Nicht nur die dramatische Notlandung mit einem Flugzeug zu Anfang des Films. Da ist er nur einer der Ingenieure und Astronauten im NASA-Team. Und seine kleine Tochter stirbt bald an einem Hirntumor. „Aufbruch zum Mond“ ignoriert im Titel die Doppel-Erzählung aus sehr privater und Welt-Geschichte.

Denn der legendäre Neil Armstrong ist, basierend auf der offiziellen Biografie von Historiker James R. Hansen, ein zurückhaltender, stiller Denker, dem eine kleine Tochter und viele Kollegen verstarben. Ein bis zur Ehekrise verschlossener Mann. Idealerweise besetzt durch Schweiger Ryan Gosling, den Regisseur Damien Chazelle schon in „La La Land“ vortanzen ließ. Und mehr bedröppelt schauend als sprechend, vielleicht das Beste, was man aus diesem wirklich nicht sehr flexiblen Darsteller rausholen kann.

Immer wieder übernimmt die Kamera Armstrongs subjektive Perspektive, um extreme Beschleunigungen, Geschwindigkeiten und Belastungen zu vermitteln. Das metallische Quietschen beim Start könnte an einer Autopresse vom Schrottplatz aufgenommen sein. In die All-Ruhe danach schneidet Chazelle das Miterleben der Familie auf der Erde, bevor ein weiteres Problem für Spannung und Hektik sorgt. Zu viel Schub schoss Gemini 8 beim Testflug am Ziel vorbei. Armstrong berechnet in der Raumkapsel selbst auf Papier die Richtungs-Korrektur. Zum Erfolg erklingt ein Walzer als Zitat zu Kubriks „2001“. Dann noch ein Problem, nicht für Huston, sondern für die Besatzung. Atemberaubend dabei nicht nur die Situation der rasend rotierenden Kapsel – auch die wahnsinnig schnellen Bildfolgen machen schwindelig und werden Filmseminaren abheben lassen.

Solche Montagen sind ungewöhnliche Ansätze und zeigen das Können des Regisseurs. Wie schon bei der Hommage des Tanzfilms in „La La Land“ lässt sich auch Chazelles Raumflug wieder als Mischung aus altmodisch und avanciert sehen. Die chronologische Erzählung ohne Rückblenden wirkt einfach, die Ausführung im Detail ist große Kunst mit kleinen mutigen Details. Am Ende fragt man sich aber, an welchem Ziel der Film eigentlich vorbei gesteuert ist. „Aufbruch zum Mond“ kann man nicht mal vorwerfen, die wieder bedrohliche Unsitte Patriotismus anzufeuern. Mehr als Heldengeschichte zeigt Chazelle die Geschichte des stillen Mannes.

Das eigentliche Ereignis mit dem Lande-Countdown wird in nur zwanzig heroischen Minuten abgespult, das klassische Film-Orchester darf da endlich mal in die Vollen gehen, bis zum anderen historischen Satz „The Eagle has landed“. Der große Schritt für die Menschheit erfolgt dann wieder in stärker beeindruckender Stille. Nur der Atem mit Dosenklang begleitet Armstrong auf den Mond. Dann „Boxenfunk“ mit praktischen Vorgängen bis „der“ Satz endlich kommt: „Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer für die Menschheit.“ Wobei die Parallel-Montage suggeriert, dass Armstrong hier und jetzt endlich mal an glückliche Tage mit seiner an einem Hirntumor verstorbenen Tochter denkt. Das menschliche Leid ist also größer, als solche aus dem Kalten Krieg geborenen, verschwenderischen Himmelfahrts-Aktionen. Fast ein Antiklimax, der an die Kritik von „Broken Circle“ an anti-aufklärerischer (Gesundheits-) Politik denken lässt. Es sind solche ungewöhnlichen Perspektiven, die Chazelles neuen Film auch interessant machen.


Ein FILMtabs.de Artikel