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Deine Juliet

USA, Großbritannien 2018 (The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society) Regie: Mike Newell mit Lily James, Michiel Huisman, Matthew Goode 124 Min. FSK ab 6

Was ist es doch für ein schönes und seltsames Verhältnis, das Kino und Literatur seit über einem Jahrhundert pflegen: Erst musste sich das neue, schmuddelige Medium gegenüber der Hochkultur verteidigen. Und nutzte schon ganz früh Literaturverfilmungen dazu. Nun propagiert der Film immer noch gerne das Lesen und kann es doch eigentlich nicht wirklich ernst damit meinen. Wer lieber liest, kauft nicht genügend Kinokarten. Doch allein in diesem Kinosommer eröffnete „Der Buchladen der Florence Green“, werden Diane Keaton, Jane Fonda und Candice Bergen ihren „Book Club“ beleben und bei „Dein Juliet“ geht eine junge Autorin auf spezielle Leserreise zur Kanalinsel Guernsey. Ein netter Ausflug in eine schönere Vergangenheit, für den man mal ein Buch liegen lassen kann.

Die junge Schriftstellerin Juliet Ashton (Lily James) findet im London des ersten Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg kein Zuhause. Leisten könnte sie es sich nach dem letzten Erfolg, doch begleitet und geführt von ihrem Verleger und Beschützer quälen sie selbst bei besten Aussichten noch Kriegserinnerungen an die zerbombte Stadt. Da erhält sie einen Brief vom literaturbegeisterten Farmer Dawsey Adams (Michiel Huisman). Der lebt abgelegen auf der Kanalinsel Guernsey und sucht nach einem besonderen Buch. Juliet hilft gerne und sehr angetan von Dawseys Brief. Der erzählt, wie einige Bewohner von Guernsey eher aus Verlegenheit einer deutschen Kontrolle nach der Sperrstunde den Literaturverein „The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society“ (so der Originaltitel des Films) gründeten. In den harten Zeiten brutaler deutscher Besatzung gab es für den Kuchen halt nur Kartoffeln und Kartoffel-Schalen. Juliet beschließt spontan, nach Guernsey zu reisen und über den Buch-Club zu schreiben. Kurz vor dem Abflug besiegelt ihr Freund Mark (Glen Powell) ihre Verlobung mit einem teuren Ring. Doch schon die erste Begegnung mit Insulaner Dawsey verspricht einen anderen Verlauf.

Wie Juliet dem Reiz der Insel und seiner Menschen verfällt, basiert auf dem in Deutschland gleichnamig veröffentlichten Bestseller von Mary Ann Shaffer und ihrer Nichte Annie Barrows, welche den Roman vollendete. Hauptdarstellerin Lily James („Cinderella“, „Downton Abbey“) setzt ihren bekannten Charme gekonnt ein, doch zum Glück ist „The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society“ mehr als ein Liebesgeschichtchen und auch mehr als eine Huldigung der Freuden des (gemeinsamen) Lesens. Die Dorfgemeinschaft kümmert sich liebvoll um das Kind einer verschwundenen Elisabeth und eines deutschen Soldaten. Es dauert eine Weile, bis Juliet den Einwohnern die Hintergründe dieser Geschichte aus der Nase ziehen kann. Dass die Autorin einen Zeitungsartikel über den Lesezirkel schreiben wollte, ist dabei gar nicht hilfreich. Die Welt im Nachkriegs-Guernsey ist altmodisch schön geschildert. Menschen sind meist zurückhaltend mit ihrem Privatleben und in der Brief-Konversation. Erst als Juliet mit der rothaarigen Außenseiterin viel Selbstgebrautes trinkt, kommt Bewegung in die alte Geschichte.

Altmeister und Routinier Mike Newell, der durch „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“, „Harry Potter und der Feuerkelch“, „Große Erwartungen“ viel Ruhm ergatterte, hält die Romantik lange Zeit britisch reserviert zurück. Erst muss das junge Küken Juliet ihren Platz auf der Welt finden. Sich emanzipieren, wäre ein zu großer Begriff für diese recht kampflose Selbstfindung. Das i-Tüpfelchen an großer Liebe kann sich dann allerdings auch sehen und mitfühlen lassen.


Ein FILMtabs.de Artikel