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Lucky

USA 2017 Regie: John Carroll Lynch mit Harry Dean Stanton, David Lynch, Ron Livingston, Tom Skerritt 88 Min. FSK ab 0

Dieser wunderbare Abschiedsfilm für Harry Dean Stanton („Paris, Texas“), der am 15. September 2017 mit 91 Jahren starb, ist ein feines, leises Porträt eines alten Mannes, der viele biographische Parallelen zu Stanton aufzeigt. Yoga am Morgen, der Gang vom Häuschen, das irgendwo in der Wüste zu liegen scheint, zum Café im Kaff, um dort das Kreuzworträtsel zu lösen. Der Alltag von Lucky, der gerne Cowboy-Hut und -Stiefel zu Schießer-Feinripp trägt, hat sich eingeschliffen wie die Furchen in seinem Gesicht. Der klapprige Alte kommentiert mit gesundem Zynismus und scharfer Zunge den Alltag. Sein Arzt meint, wenn der kerngesunde Kettenraucher aufhören würde zu rauchen, würde er sterben. Doch irgendwann kippt Lucky beim Blick auf die rote LED-Uhr an der Kaffeemaschine um und danach macht er sich tatsächlich Gedanken über das Alter.

Das Rot leuchtet später symbolisch und surreal in Richtung eines Ausgangs-Schildes, als wäre dies ein Film von David Lynch. Doch der „Twin Peaks“-Regisseur taucht hier nur als einer der anderen Dauergäste der Cafés und Bars von Lucky auf. Seine noch ältere Schildkröte namens Theodore Roosevelt ist entlaufen. Anlass, sich Gedanken über die Relativität von Zeit zu machen, in diesem Film, der sich viel Zeit nimmt. Wie „The Straight Story“, dieser ganz andere Film von David Lynch, wie „Paris, Texas“ von Wim Wenders, die bislang einzige Hauptrolle von Harry Dean Stanton. „Ein Dokumentarfilm über Harry Dean Stanton wäre genau so“, meinte Wim Wenders zu „Lucky“. Stanton war, wie Lucky, Koch in der Navy während des Zweiten Weltkriegs. Auch Harry war Atheist, der ständig die Welt erklärte und uns alle für „Nichts“ hielt. Kreuzworträtsel spielten nicht nur fiktiv, sondern auch im echten Leben von Harry eine große Rolle. Weitere Leidenschaften von beiden sind Game Shows, Zigaretten, Bloody Mary und Cowboy-Hüte. Harry Dean sang für sein Leben gern, so darf er hier auf einer mexikanischen Geburtstags-Feier mit Marriachi-Band „Volver, Volver“ singen. Die Autoren Logan Sparks und Drago Sumonja meinten denn auch, sie hätten ihre Dialoge von Stanton geklaut.

Dazu sind alle Nebenrollen mit Freunden und Weggefährten von Stanton besetzt. Mit Tom Skerritt war er in „Alien“ zu sehen. David Lynch besetzte ihn vortrefflich in „Wild at heart“, „The Straight Story“ und „Twin Peaks“. Aber ganz unabhängig von diesen schönen Referenzen gelang Regisseur John Carroll Lynch (nicht verwandt mit …) eine Filmperle mit viel Humor und Gefühl, die so sympathisch eigenbrötlerisch daherkommt wie die Hauptfigur. Eine faszinierend ruhige Geschichte mit Verweisen zum Leben und Sterben an sich.


Ein FILMtabs.de Artikel