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Wunder

USA, Hongkong 2017 (Wonder) Regie: Stephen Chbosky mit Jacob Tremblay, Julia Roberts, Owen Wilson, Izabela Vidovic 114 Min. FSK ab 0

Dem zehnjährigen August „Auggie“ Pullman (Jacob Tremblay) sieht man eine Deformation des Kopfes und viele, viele Operationen direkt an. Was für die Super-Eltern (Julia Roberts und Owen Wilson) und die tolle große Schwester Via (Izabela Vidovic) kein Problem ist. Doch raus traut sich Auggie nur mit seinem Raumfahrerhelm. Nun soll er diesen Schutz für seine ersten Tage in der Schule abnehmen – nach jahrelangem Unterricht zuhause mit seiner Mutter. Und das richtige Leben im sozialen Umfeld erweist sich als erwartet grausam. Auggie wird von Mitschülern als „Freak“ bezeichnet und als Aussätziger behandelt. Bis einer aus der Bully-Clique sich zu ihm setzt und zu ihm steht. Doch der Verrat folgt in schlichter Drehbuch-Eintönigkeit. Auch die meist vernachlässigte Schwester wurde von der besten Freundin verlassen, darf sich aber verlieben. Und dann erkrankt auch noch der Familien–Straßenvollscheißer und muss eingeschläfert werden. Zeit für Papa, auch ein paar Tränchen zu verdrücken.

Ja, die Gefühlsachterbahn ist bestens geschmiert in dieser Verfilmung von R.J. Palacios Debütroman. Selbstverständlich verläuft die Geschichte auch immer wieder mal witzig, etwa wenn Auggie bemerkt, wie sehr er sich auf Halloween und das freie Rumlaufen unter einer Maske freut. Man muss gar nicht das herzzerreißende Leiden von Lynchs „Elefantenmensch“ erinnern, um zu erkennen, wie falsch und oberflächlich hier mit einem tatsächlichen Problem unserer visuell fixierten Gesellschaft umgegangen wird. Wenn Superstar Julia Roberts als Mutter ihre Falten anführt, um Auggie zu zeigen, dass wir alle nicht perfekt sind, dann ist das albern bis zynisch für ein kleines, arg vernarbtes Gesicht. Auch das Wort Toleranz, in vielen Ankündigungen zu diesem Film hervorgehoben, führt auf den Holzweg: Nur weil Auggie – für Hollywood-Verhältnisse – anders aussieht, muss man ihn nicht „tolerieren“. Dieser Junge sollte gefälligst wie jedes andere Kind behandelt werden, auch wenn der erste Anblick irritiert, verblüfft oder gar erschreckt. Dieses wundersame Filmchen macht ihn aber mit allen Tricks „besonders“. Besonders klug, besonders einfühlsam, besonders gutmütig.

Leider ist das verwunderliche Rührstück nicht nur verlogen, es ist auch noch schlecht gemacht. Aus verschiedenen Perspektiven dürfen die Schwester oder der zeitweilige Freund Jake erzählen. Das könnte eine Konstruktion sein, um Verständnis zu erzeugen. Aber sie verstärkt nur den Eindruck von zusammengeschusterten Episoden. Nett nur die Raumfahrtmetapher, die sich durch den ganzen Film hüpft: Mal schwebt Auggie befreit wie auf dem Mond, mal schleppt sich er unter dem Überdruck des Leids durch die Schulgänge. Allein in seinen besten Momenten gibt „Wunder“ seinen Figuren die Chance, mehr als eindimensionale Rädchen der Handlung zu sein und sich als tatsächliches Wunder zu wandeln. Da ist es dann schade, dass diese Momente in einem Meer an süßlicher Rührung untergehen


Ein FILMtabs.de Artikel