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Greatest Showman

USA 2017 Regie: Michael Gracey mit Hugh Jackman, Michelle Williams, Zac Efron, Zendaya 105 Min. FSK: ab 6

Die ganz großen Träume, Unterhaltung für die Herzen der Menschen und Meister im Marketing. Überdeutlich erzählt „Greatest Showman“ nicht nur die Geschichte der Zirkus-Größe Phineas Taylor Barnum (1810-1891), sondern auch vom Selbstverständnis des Hollywood-Films. Allerdings zeigt ausgerechnet dieses Musical, wie viele andere Hollywood-Produktionen, dass das meiste Show ohne Substanz ist. Also nur „fake“, falscher Schein, was dem größten Show-Mann Barnum selbst ein Leben lang vorgeworfen wurde. Ironischerweise „faken“ bei diesem Film vor allem Leute Mittelmaß, die durchgehend mehr könnten.

Nach einer großen Shownummer direkt zu Anfang geht „Greatest Showman“ biografisch zurück in die Jugend von P.T. Barnum, Sohnes eines armen Zimmermanns. Mit der nächsten Gesangsnummer ist Barnums Liebe zur schwer reichen Jugendfreundin Charity besiegelt und auch gleich eine Familie gegründet. Der arme und arbeitslose Barnum (Hugh Jackman) erweist sich in New York als Geschichtenerzähler und Visionär. Eine ganze Reihe von „Freaks“, ein Zwerg, ein Riese, die Frau mit Bart, Menschen mit dunkler oder albino-blasser Haut, kann er überzeugen, dass sie als seine Attraktionen nicht bloßgestellt werden. Die Show wird ein Erfolg beim Publikum und vom freudlosen Kritiker verrissen.

In dem Film, der jedes Problem in nur einem Liedchen löst, folgen noch zwei richtige Dramen um den Erfolgsmann Barnum, der sich selbst in die Rolle des Emporkömmlings bringt, die er mir all seinem Tun eigentlich loswerden will. Und um eine gemischt farbige Liebe, die auch ein Duett erstmal nicht zusammen bringen kann.

„Greatest Showman“ ist genau das nicht, was Zirkus sein will: Atemberaubend ohne Netz und doppelten Boden. Es ist eine Show und ein Investment, die jede Lebensversicherung oder Kreissparkasse finanzieren würden. Nicht zu vergleichen mit „La La Land“, obwohl die gleichen Komponisten Benj Pasek und Justin Paul am Werk waren, und vor allem nicht mit „Baby Driver“. Hier gibt es nur zu eingängige Lieder mit zu vielen zu langgezogenen und zu hohen Tönen. Und dazu tatsächlich nur ein paar bescheidene Momente filmischer Akrobatik, wie den Tanz auf dem Dach von Barnum und Charity (Michelle Williams) synchron zu den wehenden Bettlaken. Hier oben ist „Greatest Showman“ am nächsten dran am größten Musical der letzten Jahrzehnte, an Baz Luhrmanns „Moulin Rouge“. Um im Rest des Films irgendwo unten rumzudümpeln mit stromlinienförmigem Hollywood-Gejaule für die Hitparaden des mittelmäßigen Geschmacks. Dazu Fernsehballett-Hupfdohlen mit dem Abzappeln einer VHS-Gruppe für irische Folktänze.

Ein zahmer Wolverine Hugh Jackman in der Hauptrolle, ein zahmes „Moulin Rouge“ und ein „La La Land“ fast ohne filmische Genialität. Das stärkste der Liedchen ist noch „This is me“, der Protestsong der Außenseiter, die hier allerdings tatsächlich als Freaks ohne eigene Geschichte auftreten müssen. Jackman als Barnum, der 1986 von Burt Lancaster gespielt wurde, ist singend längst nicht so eindrucksvoll wie als kränkelnder X-Man „Logan“. Die Singerei lässt auch Michelle Williams nicht richtig spielen und richtig singen können sie sowieso nicht. Dass ausgerechnet der ausgezeichnete Autor und Regisseur Bill Condon („Chicago”, 2002, „Dreamgirls”, 2006), der 1998 mit seinem „Gods and Monsters“ Freaks wie Frankensteins Monster und dessen filmischen Schöpfer James Whale verteidigte, hier mitgeschrieben haben soll, komplettiert die ärgerlich bescheidenen Leistungen in den wichtigsten Ressorts. Nur von Michael Gracey, bislang Regisseur von Werbefilmen und Musikclips, hat man bei seinem Spielfilmdebüt nichts erwarten können. Und das hat er hinbekommen.


Ein FILMtabs.de Artikel