« | Home | »

Die Spur

Polen, BRD, Tschechien, Schweden, Slowakische Republik 2017 (Pokot) Regie: Agnieszka Holland mit Agnieszka Mandat, Wiktor Zborowski, Miroslav Krobot, Jakub Gierszał 128 Min.

Ein Öko-Thriller mit viel Frauen- Power, das ist außergewöhnlich. Genau so außergewöhnlich wie die alte Dame Duszejko. Die pensionierte Brückenbauingenieurin lebt in einem kleinen Dorf an der polnisch-tschechischen Grenze, unterrichtet noch nebenbei engagiert die Grundschüler und zeigt regelmäßig jagende und anders tiermordende Männer an. Da sie nicht nur Vegetarierin, sondern auch noch eifrige Astrologin ist, gilt Duszejko verständlicherweise als Sonderling.

Doch man ist schnell bei der liebvollen, alten Frau, die von Agnieszka Mandat einnehmend gespielt wird. Als die beiden Hunde der Duszejko verschwinden, geht das ebenso zu Herzen, wie die bestialische Fuchs-Zucht des arroganten, frauen-verachtenden Nachbarn wütend macht. Die Tode einiger Bewohner des kleinen Ortes lässt allerdings nicht nur Duszejko seltsam kalt. Ihr fällt vor allem auf, dass am Tatort immer ein paar unerschrockene Rehe auftauchen. Und auch im Schnee sind nur Hufspuren zu sehen.

Bevor sich die Suche nach dem Mörder zuspitzt, freundet sich die sympathische Protagonistin mit einer jungen, übel behandelten Frau, mit dem scheuen jungen Beamten und einem Insektologen an. Ein Pilze sammelnder Nachbar schwärmt ihr heimlich nach. Dieser sehr harmonischer Umgang der Menschen am Rande der Gesellschaft, die zusammen kiffen und feiern, balanciert die Naturfrevel der Jäger aus. Allerdings wird der Film nach dem Jagdkalender und den jeweiligen zum Abschuss frei gegebenen Tierarten gegliedert, es bleibt also immer Anlass für Schmerz und Wut der Duszejko.

„Die Spur“ verfolgt ein Kaleidoskop des Lebens und des Verhaltens zum Tierleben auf dem Lande. Dabei zeigen aufblitzende Erinnerungs-Bilder das Vorleben der Menschen, mit denen Duszejko zu tun hat. Ist sie eine Art Hellseherin? Auf jeden Fall erklärt sie sich vieles und auch andere Leute mit der Astrologie. Und zeigt den Mord, ja sie sagt „Mord“, an einem Wildschwein außerhalb der Jagdsaison an. Vehement geht sie auch die verlogene Kirche an, mit ihren Priestern, die Jagden segnen. Dass die EU gerade die Vernichtung des ältesten Urwaldes Europas in Polen verurteilte, zeigt, wie genau Agnieszka Holland diese Situation in Polen erfasst hat.

Die Rückkehr der fast 70-jährigen Agnieszka Holland auf die große Leinwand nach „Der Priestermord“ (1987), „Hitlerjunge Salomon“ (1989), „Washington Square“ (1997) und nach einem Ausflug in die Welt der Serien, spielt in einer Landschaft mit wechselnden Jahreszeiten, deren wilde Schönheit jedoch nicht über Korruption, Grausamkeit und Dummheit ihrer Bewohner hinwegtäuscht. Ein mutiger, moderner Genremix aus komischer Detektivstory a la „Twin Peaks“, spannendem Ökothriller und feministischem Märchen. Nicht nur, weil der ungarische Berlinale-Sieger „Body and Soul“ mit starker weiblicher Rolle und eifrigem Tierleben sehr ähnlich gelagert war, gab es bei der Berlinale 2017 viel Aufsehen um den Film – und einen Silbernen Bären (Alfred-Bauer-Preis) für Agnieszka Holland.


Ein FILMtabs.de Artikel