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The Killing of a Sacred Deer

Irland, Großbritannien 2017 Regie: Yorgos Lanthimos mit Colin Farrell, Nicole Kidman, Barry Keoghan 121 Min. FSK: ab 16

Der griechische Regisseur Yorgos Lanthimos ist Schöpfer äußerst faszinierender und verstörender Werke: Von „Attenberg“ (2010) blieb der Abschied einer jungen Frau vom sterbenden Vater hängen, aber auch die „Crazy walks“ der Figuren, die in dem skurillen Festival-Erfolg ungewöhnliche Beziehungen austesten. Normale Familien-Beziehungen wurden in „Alpen“ (2011) vermittels einer mysteriösen Escort-Firma durch bezahlte Leih-Menschen ersetzt, die als Code-Namen Berggipfel der Alpen trugen. Im völlig untergegangenen und vom Verleih sträflich behandelten „The Lobster“ (2015) wurden Singles nach einer Gnadenfrist und Umerziehungs-Chance in Tiere verwandelt. Die Regeln der Rebellen des Paarungs-Regimes sind jedoch ebenso grausam, wie die Figur von Colin Farrell erfahren muss. Im neuen Film von Regisseur und Drehbuchautor Lanthimos spielt Farrell einen Herzchirurgen und seltsamen Familienvater vor einer unmenschlichen Entscheidung.

Man könnte endlos seltsame Momente aufzählen, die nach der umwerfenden Eröffnung mit Franz Schuberts kraftvoller Stabat Mater auf der Tonspur und einer OP am offenen Herzen im Bild irritieren. Die Vorführung einer amerikanischen Muster-Familie ist schon durch steifes Gehabe, entseelte Dialoge und verzerrende Kameraobjektive ein Horror. Es gilt auch die anhaltende Irritation zu notieren, welches Verhältnis der Arzt wohl zum 16-jährigen Martin (Barry Keoghan) hat, der verwöhnt und beschenkt wird. Oder direkt zum altgriechischen Kern-Konflikt des Films kommen, dass der Chirurg wohl mit Restalkohol im Blut die Operation an Martins Vater verpfuscht hat, der nun ein Halbwaise mit sehr einsamer Mutter ist. Die (Alicia Silverstone) darf sich noch lächerlich an den ungewöhnlich nach-sorgenden Arzt ranschmeißen, aber dann äußert Martin in der Mitte des Films knapp seine niederschmetternde Prophezeiung: Stevens Kinder und seine Frau (Nicole Kidman) werden in vier grausamen Schritten erkranken und, nachdem ihnen Blut aus den Augen laufen wird, sterben. Es sei denn, der schuldige Mediziner opfert jemanden aus seiner Familie. Dann würden die anderen gesund weiterleben können. Und so geschieht es.

Solche unentrinnbaren Dilemmata haben sich schon die alten Griechen überlegt, um ihre Figuren zu quälen und Moral zu exemplifizieren oder überkommene Gesetze zu kritisieren. Hier entspannt sich vor allem das Gegeneinander des modernen, aufgeklärten Arztes mit unerklärlichen Erscheinungen. Die Versuche, Martin umzustimmen, bekommen religiöse Züge, etwas Gewalt darf auch dabei sein. Selbstverständlich bleibt dies in der Präsentation unterhaltsam skurril, wenn etwa die halb gelähmten Kinder durchs luxuriöse Haus robben.

Yorgos Lanthimos erhielt in Cannes 2017 mit seinem Ko-Autor Efthymis Filippou den Preis für das Beste Drehbuch. Doch auch wenn dies unverkennbar ein Lanthimos-Film ist, es ist trotz erstaunlichsten Ereignissen nicht sein bester. Dafür bleiben die vielen Elemente der horrenden Familien-Geschichte zu divergent.


Ein FILMtabs.de Artikel