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Loving Vincent

Großbritannien, Polen 2017 Regie: Dorota Kobiela, Hugh Welchman mit Douglas Booth, Saoirse Ronan 95 Min. FSK: ab 6

„Loving Vincent“ ist entgegen der Werbebehauptung nicht der erste Film, der vollständig aus Ölgemälden erschaffen wurde, aber vielleicht der aufwändigste. 125 Künstler arbeiteten über Jahre an einem Gesamtkunstwerk, das die berühmten Bilderwelten Vincent van Goghs in 65.000 Einzel-Ölbildern auf der Kinoleinwand lebendig werden lässt. Denn der niederländische Maler (1853-1890) fasziniert nicht nur durch seine Kunstwerke, auch das Leben eines getriebenen, ausgeschlossenen Menschen beschäftigt die (Film-) Kunst von großen Geschichten wie Vincente Minnellis Sozial-Porträt „Vincent van Gogh – Ein Leben in Leidenschaft“ über Robert Altmans Familien-Geschichte „Vincent & Theo“ bis hin zu sogar einer berührenden Hymne in einer Folge von „Doctor Who“.

„Loving Vincent“ nutzt unter anderem die vielen Porträts, die van Gogh von Zeitgenossen zeichnete, um diese animiert das letzte Jahr des Künstlers nacherzählen zu lassen. Ein Jahr nach dem Tod van Goghs taucht ein Brief des Künstlers an dessen Bruder Theo auf, den der junge Postbeamten-Sohn Armand Roulin auszuhändigen soll. Doch Theo ist mittlerweile auch verstorben und aus Armand wird ein Detektiv, der im Dorf Auvers-sur-Oise unter anderem aufklären will, woher der Maler eine Pistole hatte und wie er sich damit umbringen konnte.

Es ist tatsächlich ungemein reizvoll, wie sich die Porträts einer Wirtin, des Postboten Roulin, der schönen Tochter des Arztes Dr. Gachet und von diesem selbst mit Leben füllen. Die Spielszenen mit realen Schauspielern wurden dafür nachträglich von vielen internationalen Künstlern in Polen aufwändig übermalt. Selbstverständlich beeindrucken auch die „Hintergründe“, die immer nur leicht bearbeiteten und animierten Landschafts-Gemälde van Goghs. Seine dramatische Geschichte blitzt dabei in schwarz-weißen Rückblenden auf. Das ist biographisch ausreichend unterfüttert, deutlich wird etwa das Erstaunen darüber, wie er in nur acht Jahre vom Amateur-Maler zum großen, verkannten Künstler wurde.

Allerdings wird im Hin und Her auf der Spur der Gerüchte, im Wechsel der verschiedenen Perspektiven von Menschen, die man ja noch lebendig befragen und sogar schon fotografieren konnte, als der Künstler posthum berühmt wurde, vor lauter Zeichnung die Figuren-Zeichnung vernachlässigt. Denn auch diese schöne Spielerei mit den populären Motiven van Goghs hält allein nicht eine Spielfilmlänge das Interesse. Dann müsste ein menschliches Drama greifen. Das ist ja durchaus vorhanden, wird in „Loving Vincent“ (so die Signatur seiner vielen Briefe and den Bruder) allerdings arg einfach erzählt. Ein Mitgefühl für den armen Kerl bleibt nicht aus, doch das bekam selbst das Fernsehfilmchen der BBC-Serie „Doctor Who“ ergreifender hin. Oder gar Don McLeans Song „Vincent (Starry Starry Night)“, der im Abspann läuft. Immerhin: Wenn man den Zeichentrick komplett ausblendet und vergisst, dass hinter der Farbe Schauspieler aktieren, ist ein van Gogh immer sehenswert. Und so viele zu Recht berühmte Gemälde auf einmal bekommt man ansonsten nur mit Anstehen in Amsterdam zu sehen. Die Regisseur Dorota Kobielau und Hugh Welchman, die für ihre Recherche die Briefe des Künstlers benutzen konnten, erhielten den Europäischen Filmpreis 2017 in der Kategorie Bester Animationsfilm.


Ein FILMtabs.de Artikel