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Drei Zinnen

BRD, Italien 2017 Regie: Jan Zabeil mit Alexander Fehling, Bérénice Bejo, Arian Montgomery 90 Min. FSK: ab 12

Frohen Mutes zieht die kleine Patchwork-Familie in die Berge: Aaron (Alexander Fehling) und seine französische Freundin Lea (Bérénice Bejo) sind seit zwei Jahren ein Paar. Tristan (Arian Montgomery), Leas achtjähriger Sohn, bekommt beim tollen Urlaub die Natur um das berühmte Dolomiten-Gebirgsmassiv Drei Zinnen von Aaron gezeigt. Das Richtige für Männer und große Jungs, die sich besser kennenlernen müssen. Doch der biologische Vater ruft mehrmals am Tag an, Lea ist schwanger und das Paar plant, mit dem Jungen nach Paris umzuziehen. Zu viel Veränderung für einen Achtjährigen.

Scheinbar verstehen sich Aaron und Tristan, haben eine gute Zeit zusammen. Doch da gibt es die Probleme einer Patchwork-Familie: Darf er ihn Papa nennen? Und: „Wieso hast du mehr Muskeln als mein Papa?“ Effektiv störend besteht der Knirps auf die Nacht im Bett der Mutter. Ärger und Frust entladen sich bei Aaron im Sägen und Holzmachen, aber auch der Kleine zickt beleidigt und lässt seine Unsicherheit am Stiefvater raus. Kleine Gemeinheiten und fiese Aggressionen belasten die Geduld von Aaron. Der zeigt deutlich, dass er der Stärkere ist.

Das ist an sich spannend, die nicht ungefährliche Bergwelt sowie die dauernden Sägen im Bild betonen das geschickt. Auch wie das Echospiel im Gebirge plötzlich zum richtigen Problem wird, belegt das gute Buch und die sehr gekonnte Dramaturgie von Jan Zabeil. Wenn das alles dann im Bergdrama kulminiert, fühlt man sich nicht vom langen Seil des Genres mitgezerrt, es ist ein äußerst gelungenes Miteinander von Innen und Außen. Nie werden die Personen dem Drama geopfert, der eiskalte Psychothriller funktioniert gerade erst durch hervorragend genaue und glaubhafte Charakterzeichnung. Auch die exzellente, unaufdringliche Musikbegleitung wirkt gerade durch ihre Zurückhaltung umso eindringlicher. Genau wie die Naturaufnahmen mal nicht dem Schauwert geschuldet sind, sondern sich der eigentlichen Dramaturgie unterordnen.

Schöne gemeinsame Gespräche und Aktionen wie der Spaziergang zum Sonnenaufgang skizzieren beiläufig das filigrane Dreiecks-Verhältnis. Es ist raffiniert angelegt, dass die drei Bezugspersonen für Tristan in drei Sprachsphären existieren: Aaron in Deutsch, die Mutter spricht französisch und der biologische Vater englisch. Hauptdarsteller Alexander Fehling („Im Labyrinth des Schweigens“, „Homeland“) spielte schon in Zabeils Erstling „Der Fluss war einst ein Mensch“. Nun, international berühmt, gelingt ihm, neben Bérénice Bejo („The Artist“, „Le Passé“) als Star am Rande, ein moderner Männer- und Vatertyp. Vollbärtig steht er im urigen Gelände seinen Mann, bleibt aber auch mit seinen Gefühlen nicht hinterm Berg. Selbst wenn diese sogar einen Großen irritieren. Der kleine Tristan ist jenseits von Niedlichkeit und zeigt teuflisch, was passiert, wenn Kinder in Beziehungsdingen der Großen mitbestimmen dürfen. Bei der Weltpremiere auf dem 70. Locarno Filmfestival wurde „Drei Zinnen“ mit dem Variety-Piazza Grande Award ausgezeichnet.


Ein FILMtabs.de Artikel