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The Square

Schweden, BRD, Frankreich, Dänemark 2017 Regie: Ruben Östlund mit Claes Bang, Elisabeth Moss, Dominic West, Terry Notary 151 Min. FSK: ab 12

Der Cannes-Sieger 2017, Ruben Östlunds „The Square“, stellt den etablierten Kulturbetrieb mit viel feinem Humor auf den Kopf und stellt gleichzeitig im Minutentakt Fragen an die eigene Moral und Weltvorstellung.

Der charismatische dänische Kurator eines großen schwedischen Museums wird moralisch auf die Probe gestellt: Eben noch Teil der üblichen Masse in einer Fußgängerzone, Augen, Kopf und Geist ins Smartphone versenkt, schreckt ein Hilfeschrei auf. Nach einiger Konfusion wehrt Christian (Claes Bang) mit einem anderen Passanten einen aggressiven Schläger ab und rettet wohl eine hilfesuchende Frau. Was sich ein paar Schritte weiter als Farce erweist, denn Christian sind Portmonee und Smartphone durch diese Aktion geklaut worden. Ja, Christian, dieser smarte, sehr gut aussehende und selbstbewusste Kultur-Mensch, wird noch einige Male eine Achterbahn der Wertvorstellungen und Selbsteinschätzung erleben müssen. Und wir mit ihm – denn der immer wieder überraschende „The Square“ macht es nicht einfach, die Guten und die Schlechten in passende Schubladen zu stecken.

Immer wieder trifft der idealistische Christian auf Bettler. Die allerdings nicht nett Danke sagen, sondern richtig unverschämt Extras einfordern. Und immer wieder wird um Hilfe gerufen in diesem Film. Christians neuestes Kunstprojekt, das titelgebende „The Square“, soll mit einem leuchtenden Quadrat im Großstadt-Pflaster exakt einen Schutzraum für Hilfesuchende bieten. Ein utopischer sozialer Raum, den der Kurator selbst nicht immer beachtet. Meist hat er kein Geld für Bettler. Und schließlich, nach einer Verkettung von ungewöhnlichen Ereignissen, wimmert im Treppenhaus der unverschämte Einwanderer-Junge, den Christian selbst die Treppe herunter gestürzt hat, hörbar eine Nacht lang. Ohne dass der engagierte Mensch einschreitet.

Das Eindringliche dieser Schlüsselszene wird nur noch übertroffen durch ein großes, surreales Galadiner des Museums, das dem Film in einer erschütternden Komprimierung gesellschaftlicher Dystopie wohl die Goldene Palme einbrachte: Die feinen Herrschaften und Kultur-Sponsoren sollen als Vorspeise noch etwas Provozierendes genießen. Ein sehr muskulärer Mann verhält sich zwischen den edel gedeckten Tischen wie ein Affe, er würde die Ängstlichen aufspüren, die anderen sollen den Kopf senken und sich in der Herde verstecken. Die Begegnung zwischen Kultur und Natur läuft völlig aus dem Ruder, niemand stoppt den Schauspieler in seiner Menschenaffen-Rolle, auch nicht als er eine Frau vergewaltigen will.

Rund um diesen beklemmenden Moment demaskiert der Schwede Ruben Östlund mit Witz und genauer Beobachtung. Wie in seinem Vorgänger „Höhere Gewalt“ (2014), in dem ein Familienvater angesichts einer heranrauschenden Lawine überraschende Präferenzen zeigte. Allerdings scheint die Welt der Kulturschaffenden und -Vermittler in „The Square“ der ideale Nährboden für diese Methode der Demaskierung zu sein. Trefflich wird das Geschwätz von Social Media-Heinis und Kunst-Interpreten aufs Korn genommen, etwas Tourette im Publikum ist dabei sehr hilfreich. Wobei ganz großartig die Kunst selbst dies im Hintergrund erneut kommentiert. „Umwerfend“ komisch das höchst peinliche Gespräch von Christian mit der Frau aus seinem letzten One Night-Stand während der große Stapel Stühle der Installation im Hintergrund akustisch immer wieder laut zusammenbricht. Auch hier erweist sich Claes Bang nach Auftritten in „Borgen“ und auch deutschen TV-Folgen als ideale Besetzung. Äußerlich glänzend wie ein junger Pierce Brosnan, kracht die innerliche Selbstkonstruktion eines kulturell gebildeten, sozial engagierten guten Menschen alle paar Minuten zusammen. Ein Film, der wunderbar viele Fragen stellt und offen lässt.


Ein FILMtabs.de Artikel