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Das Löwenmädchen

(Løvekvinnen) NOR 2016 R: Vibeke Idsøe, D: Lara Braukmann, Sara Braukmann, Eveline Bär, 126 min

Der Roman „Das Löwenmädchen“ von Erik Fosnes Hansen stellt in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung für eine Filmadaption dar. Die Innenansicht eines am ganzen Körper behaarten Mädchens, ihre Wahrnehmung der Menschen und die der Menschen auf ihr Erscheinungsbild, war ebenso schwer umzusetzen wie die Maske ihrer Darstellerin glaubhaft wirken zu lassen. Wo im Buch die Phantasie des Lesers greift, sieht man sich im Film konfrontiert mit der erzählerischen Realität. Die norwegische Regisseurin Vibeke Idsøe hat es trotzdem gewagt und erzählt die Geschichte ihrer Vorlage mit behutsam austariertem Tempo. Schauplatz ist ein kleiner Ort in Norwegen, im Jahr 1912. Die kleine Eva ist das Einzige, was dem Bahnhofsvorsteher Arctander (Rolf Lassgård) von seiner geliebten Frau blieb. Der sture Alte will das Kind zunächst nicht annehmen, hüllt doch eine dicke Schicht Haare seinen Körper komplett ein. Doch der Flaum will nicht weichen und Arctander fügt sich irgendwann in sein Schicksal, wohl darauf bedacht, sein Ansehen in der Öffentlichkeit nicht zu verlieren. Er engagiert die junge Ruth (Lisa Loven Kongsli) als Kindermädchen, um sich um Eva zu kümmern. So wächst das Mädchen heran, gewöhnt daran, jedes Fenster zu meiden und immer wieder in die Kammer unter der Treppe zu kriechen, wenn Besuch kommt. Ruth kämpft darum, dass Eva die Welt vor der Tür kennenlernt. Doch die Sensationsgier der Menschen und die Mischung aus Angst und Abscheu, die ihr Erscheinungsbild bei ihnen hervorruft, führen zum Eklat. So ist „Das Löwenmädchen“ die Geschichte einer Emanzipation, die abseits der phantastischen Komponente auch auf ihre Rolle als Frau übertragen werden kann. Eva lernt, selbstbewusst mit ihrem Schicksal umzugehen. Dabei bedient sich Idsøe recht konventionellen Erzählmustern, die aber ihre Wirkung nicht verfehlen. Ihre Adaption ist ein ernstes Märchen für Erwachsene über die Angst vor dem Fremden, das unübersehbare Bezüge zur Gegenwart trägt.


Ein FILMtabs.de Artikel