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Als Paul über das Meer kam

D 2017, R: Jakob Preuss, 97 min

Als der Dokumentarfilmer Jakob Preuss 2011 nach Nordafrika kam, wollte er eigentlich einen Film über die Außengrenzen Europas drehen. Hier, vor den Toren von Marokko steht eine Mauer, die für Flüchtlinge das Tor in ein besseres Leben bedeutet. Zu Hunderten sitzen sie auf dem Wall und warten auf ihre Chance, ihn unbemerkt zu überwinden und in eines der Erstaufnahmelager zu fliehen, wo sie dann Asyl beantragen konnten. Einige versuchen ihr Glück mit Schleusern übers Meer. Damals schwappten die Meldungen der Zustände noch spärlich in die westliche Welt. Von einer Flüchtlingskrise war noch nicht die Rede. Jakob Preuss zählt zu den Privilegierten, die den Weg in beide Richtungen problemlos bestreiten können. Mit seiner Kamera in der Hand ging er in eines der Camps, wo die Menschen auf ihren Moment der Flucht warteten und traf dort auf Paul, einen freundlichen Mann Anfang dreißig, der ihn durch die provisorische Zeltstadt führte. Er hatte bereits eine Odyssee aus Kamerun hinter sich, um hierher zu gelangen. In seiner Heimat war er von der Uni geflogen, weil man ihn mit Studentenprotesten in Zusammenhang brachte. Ein Stipendium in Kanada konnte er nicht antreten, weil er kein Visum bekam. Armut und die Anfeindungen anderer Stammesmitglieder ließen ihm keine Wahl als die Flucht nach Europa anzutreten. Zwischen den beiden unterschiedlichen Männern entwickelte sich eine Freundschaft, die geprägt ist von Erwartungen und Hoffnungen, Hilfe und Hilflosigkeit und einer scheinbar unüberwindbaren Schlucht zwischen zwei Lebensrealitäten. Preuss bezieht aber auch die Grenzer in seinen Film ein, zeigt ihren Alltag, die moralisch fragwürdigen Express-Abschiedbungen an der Mauer und die Streifen der Grenzschützer an den Rändern unserer Republik. Aber es sind die Begegnungen mit Paul, die den Schlagzeilen ein Gesicht geben. So wird aus dem geplanten Blick aus der Distanz ein zutiefst persönliches Langzeitdokument.


Ein FILMtabs.de Artikel