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Locarno 2017 Demenz im Film

Eine alte Frau starrt minutenlang in die Kamera, sie kann nicht mehr sprechen, sich nicht mehr richtig bewegen. Will sie uns etwas sagen? Ihrer Familie? Oder dem Drehteam dieser Dokumentation? Der interessante aber nicht sensationell gute „Mrs. Fang“ von Wang Bing sagt als Preisträger in Locarno etwas über diesen nicht umwerfenden Wettbewerb aus, zeigt aber vor allem den Umgang einer lauten und umtriebigen chinesischen Familie mit einer dementen Angehörigen. Was unweigerlich die Frage aufwirft: Was kann, was darf man zeigen? (Die übrigens in Locarno auch auf einem Workshop für junge Dokumentaristen diskutiert wurde.) Der Aachener Zinnober-Produktion „Der Tag, der in der Handtasche verschwand” von Mario Kainz, die 2002 einen Grimme-Preis erhielt, sah man das vertraute Verhältnis von Filmemacherin und Protagonistin an. David Sievekings „Vergiss mein nicht“, 2013 vom Aachener Martin Heisler produziert, fühlte sich im Umgang des Regisseurs mit der eigenen Mutter hingegen übergriffig an. Der Locarno-Sieger Wang Bing versetzt das Publikum mit Nahaufnahmen der bettlägerigen alten „Mrs. Fang“, mit nicht mehr zu deutendem Blickkontakt zwar in die Situation der Angehörigen, geht dann aber auf Distanz und betrachtet das Verhalten der wuseligen chinesischen Großfamilie. Das ist zwar grenzwertig und in der allgemeinen Hilflosigkeit auch schwer erträglich, doch in der Diskussion um den Umgang mit der Krankheit auch förderlich.


Ein FILMtabs.de Artikel