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The Salesman

Iran, Frankreich, 2016 (Forushande) Regie: Asghar Farhadi mit Shahab Hosseini, Taraneh Alidoosti, Babak Karimi 123 Min. FSK: ab 12

Da ist er nun, der iranische Film, der ironischerweise im eigenen Land mal nicht von Verbot bedroht ist und Kassen-Rekorde bricht. Stattdessen wollen die Hauptdarstellerin und der Regisseur wegen den neuesten Trump-Trampeleien nicht zum möglichen Oscar-Gewinn in die USA einreisen. Ein Hohn, dass ausgerechnet die wenigen Meisterwerke, die eine strenge Zensur überleben, an der US-Grenze ausgebremst werden. Denn Oscars werden auch auf der Werbetour in den Wochen vor der Verleihung gewonnen. Und der neue Film von Asghar Farhadi („Nader und Simin – Eine Trennung“, „Le passé – Das Vergangene“) hätte nach den Cannes-Preisen für den Besten Darsteller (Shahab Hosseini) und das Beste Drehbuch (Asghar Farhadi) auch einen Academy Award verdient. Asghar Farhadi zeigt als Meister spielerischer Präsentation sehr ernster moralischer Fragen zuerst ein ganz praktisches Platz-Problem, eine komische Begegnung im Taxi und dann plötzlich ein unerhörtes Ereignis.

Hektisch verlassen die Nachbarn das einsturzgefährdete Haus. Ein Bagger hat das Fundament beschädigt. Symbolisch klafft ein riesiger Riss hinter dem Bett des Paares. Emad (Shahab Hosseini) und Rana (Taraneh Alidoosti), die auch zusammen Theater spielen, finden in Teheran einige Tage lang keine Wohnung, bis ihnen ein Kollege etwas vermittelt. Doch hier wohnte wohl vorher eine Prostituierte und eines Abends wird Rana mit tiefer Kopfwunde in ihrem Bad gefunden. Ein alter Freier ist ahnungslos eingedrungen.

War bei Farhadis erstem großen Erfolg „Nader und Simin“ eine vermeintliche Berührung der Skandal, ist es diesmal ein Verdacht. Emad weiß nicht genau, was seiner Frau passiert ist, doch der vormals so verständnisvolle Literatur-Lehrer wandelt sich zum rücksichtslosen Rüpel. Eine detektivische Suche nach dem Täter führt zu ungestümer Rache. Die wird so kalt und maßlos gezeigt, dass in einer seltsamen Verkehrung Mitleid mit dem Täter erwächst. Sein Verhältnis mit einer Prostituierten und eine zumindest versuchte Vergewaltigung sollen doch nicht 35 Jahre Ehe gefährden.

Fantastisches Schauspiel macht „The Salesman“ zu einem intensiven Erlebnis und das erschütternd gnadenlose Finale zum Kammerspiel mit sehr ungewöhnlicher Spannung. Auch wenn alles sehr realistisch aussieht, sollte man den Film nicht mit Dokumentarischem verwechseln, auch wenn für uns viele Dinge aus dem iranischen Leben interessant zu entdecken sind. Eindringlich stehen zentral Schuld und kalte Rache. Sühne ist in diesem zertrümmerten Moral-Gebäude, dessen Fundament weggebaggert wird, nicht vorgesehen.


Ein FILMtabs.de Artikel