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Das unbekannte Mädchen

B/F 2016 Regie: Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne mit Adèle Haenel, Olivier Bonnaud, Jérémie Renier, 106 min

Die ersten Szenen gehören Jenny Davin und ihrem Alltag. Ihre Arbeit als Kassenärztin, die vielfältigen Patienten und ihre Krankheiten, ihr Umgang mit dem Praktikanten Julien. In diesen Minuten passiert viel und durch jede Situation lernen wir Jenny besser kennen, noch bevor es zum Auslöser der berührenden Geschichte der Brüder Dardenne kommt. Die Belgier beobachten konzentriert die Arbeitswelt von Dr. Davin, öffnen mit jedem Patienten neue Schicksale und bleiben doch ganz bei ihrer Protagonistin. Der Arbeitstag der Ärztin ist stressig und lang und so macht ihr niemand einen Vorwurf, als sie eines Abends nicht mehr öffnet, als es klingelt. Es ist spät, die Praxis bereits geschlossen und Jenny unterdrückt ihren Impuls, die Tür zu öffnen auch aus Stolz gegenüber Julien. Ein folgenschwerer Fehler. Am nächsten Tag steht die Polizei vor ihrer Tür. Ein unbekanntes Mädchen ist in der Nähe tot aufgefunden worden. Sie war es, die am Abend zuvor geklingelt hatte. Die junge Frau lässt Jenny nicht mehr los. Sie zieht durchs Viertel und zeigt jedem ihr Bild, damit sie nicht ohne Namen beerdigt werden muss. Je mehr sie erfährt, desto mehr gerät sie in Gefahr.
Jean-Pierre und Luc Dardenne sind Meister der Beobachtung. Ihre Filme sind realistische Milieuzeichnungen, authentische Porträts. Immer wieder stellen sie Frauen in den Mittelpunkt der Handlung, als willensstarke Kämpferinnen gegen die Ungerechtigkeit. Adèle Haenel, die bereits „Blau ist eine warme Farbe“ über drei Stunden hinweg trug, spielt Jenny mit jeder Faser. Selbst ihr minutiös gezeichneter Alltag birgt Spannung und Tiefe. Die Dardennes konzentrieren sich vollends auf ihr Leben in der Praxis und den Hausbesuchen in ihrer Heimat Lüttich. Persönliche Details werden ausgespart – und doch weichen wir am Ende nur ungern von Jennys Seite und lassen sie allein mit den Schicksalen ihrer Stadt.


Ein FILMtabs.de Artikel