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American Honey

GB/USA 2016 Regie: Andrea Arnold mit: Sasha Lane, Shia LaBeouf, Riley Keough, 162 min

„We found love in a hopeless place“ scheppert es aus den Boxen eines Supermarkts in einer amerikanischen Kleinstadtwüste aus Stahl und Beton. Dazu tanzt Jake (Shia LaBeauf) auf dem Kassenband, um Star (Sasha Lane) zu beeindrucken. Der Move funktioniert und setzt ein berauschendes Roadmovie quer durch die Vereinigten Staaten in Gang.
Die Suche nach Liebe an lebensfeindlichen Orten ist so etwas wie ein Leitthema in der Filmographie von Andrea Arnold. Sei es der soziale Brennpunkt der Vorstadt in „Fish Tank“ oder die harsche Umwelt der Liebenden in „Wuthering Heights“– der Song von Rihanna und Calvin Harris würde auch hier passen. Zudem erzählt sie ihre Geschichte erneut aus einem weiblichen Blickwinkel.
Es ist die Perspektive von Star. Als wir die 18jährige kennenlernen, ist sie gerade dabei, eines der vorbei rasenden Fahrzeuge anzuhalten, um mit ihren beiden jüngeren Geschwistern nach Hause zu gelangen. Der Versuch bleibt vergeblich, doch etwas anderes erweckt die Aufmerksamkeit der jungen Frau: der smarte Jake, der in seinen Arbeiterhosen mit den Hosenträgern und dem langen, geflochtenen Zopf so gar nicht in die Gang aus jugendlichen Halbstarken zu passen scheint, mit der er auf den Parkplatz gegenüber einbiegt.
Auch Jake bemerkt Star, als sie ihm in den Supermarkt folgt. Er macht ihr ein Angebot: sie kann viel Geld verdienen, wenn sie in den Van steigt und mit ihnen nach Kansas City fährt. Die Mischung aus Neugierde und Nervenkitzel reizt Star und so lädt sie die beiden Kids schweren Herzens bei ihrer Mutter ab, die gerade in irgendeiner Bar tanzt, und steigt ein.
An Bord herrscht ausgelassene Stimmung. Rap und HipHop sind die Begleiter auf der Reise durch den Mittleren Westen. Von der Rückbank aus beobachten wir durch Stars Augen und lernen die unterschiedlichen Charaktere kennen und was sie zusammengetrieben hat. Sie alle sind Teil einer Drückerkolonne, die von Tür zu Tür zieht, um Zeitschriftenabos zu verkaufen. Jake sitzt am Steuer eines Sportwagens und chauffiert Krystal (Riley Keough), die den Trupp mit fester Hand durch die Staaten schleift. Als sie Star kennenlernt, begegnet sie der selbstbewussten jungen Frau feindselig, zumal Jake ein besonderes Interesse für sie hegt, das sich als geschäftsschädigend herausstellen könnte.
Von der britischen Countryside mitten in den amerikanischen Traum: Andrea Arnold erzählt in ihrem zweieinhalbstündigen Road-Trip nicht wirklich viel. Mit der Faszination einer Außenstehenden beobachtet sie vielmehr, so wie es Larry Clarke damals in „Kids“ tat. Die improvisierten Dialoge der Laiendarsteller wirken authentisch und fangen mit der exzellenten Musikauswahl, die das Offensichtliche geschickt vermeidet, das Lebensgefühl der „Young Americans“ ein. Bebildert wird die Reise mit der berauschenden Kameraarbeit von Arnolds Wegbegleiter Robbie Ryan („Slow West“), die immer ganz nah dran ist an den Charakteren und ein präzises Auge für poetische Details hat.
Eine echte Entdeckung ist Hauptdarstellerin Sasha Lane, die Arnold wie viele der jungen Darsteller auf der Straße ansprach. Obwohl sie keinerlei Schauspielerfahrung hat, trägt sie den Film über die gesamte Laufzeit, die vorbeizieht wie die Motels und Diners am Rand der Straße. „American Honey“, der den Jurypreis in Cannes erhielt, ist ein hypnotischer Trip durch das Herz Amerikas mit dem Pulsschlag der Jugend.


Ein FILMtabs.de Artikel