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Die Tragödie der Belladonna

(Kanashimi no Beradonna) J 1973, R: Eiichi Yamamoto, 93 min

Bereit für eine kunstvolle Zeitreise? In die Siebziger, denen dieses außergewöhnliche Werk überdeutlich entstammt mit seiner offen zur Schau gestellten Sexualität und dem allgegenwärtigen Jazz-Pop des japanischen Avantgardekünstlers Masahiko Satoh. Gleichermaßen auch ins Jahr 1862, in dem der Roman »Die Hexe« des Historikers Jules Michelet erschien. Im Rahmen einer fiktiven Hexengeschichte formulierte er darin seine Kritik an der Unterdrückung der Frauen und der Bauernschaft. Aber auch noch weiter zurück, in die Zeit der Französischen Revolution und das Leben der Jeanne D’Arc im 15. Jahrhundert. Nicht umsonst heißt auch die Protagonistin von »Die Tragödie der Belladonna« Jeanne. Ihr Liebhaber Jean wird vom Despoten geknechtet. Seine zukünftige Gemahlin vom Fürsten vergewaltigt. Jeanne wünscht sich Macht und erhält sie, von einem Teufelchen in Phallusform. Bald wandelt sie sich zu einer gottgleichen Figur und versammelt das Volk unter sich. Doch der Fürst lässt den Verlust seiner Macht nicht auf sich sitzen. In kunstvollen Aquarellen erzählt Eiichi Yamamoto ein psychedelisches Märchen für Erwachsene, explizit und drastisch. Basierend auf einem Originalkonzept vom »Gott des Anime« Osamu Tetzuka (»Astro Boy«), angelegt als Gegensatz zu den Animes für Kinder, die damals nahezu allein den Markt beherrschten. Das meist statische Kunstwerk erzeugt eine einzigartige Sogwirkung, man verliert sich in den kunstvollen Collagen, deren Stil massiv beeinflusst ist von europäischen Künstlern wie Gustav Klimt und Aubrey Beardsley. Yamamotos »Die Tragödie der Belladonna« übte seinen Einfluss auf das Genre wie wir es heute kennen maßgeblich aus und wirkt doch wie ein faszinierender Fremdkörper in der Filmgeschichte. Ãœber 40 Jahre nach seiner Uraufführung bei der Berlinale erscheint der Anime nun erstmalig digital überarbeitet in einer sorgfältig restaurierten 4K-Fassung. Die einmalige Gelegenheit, einen vergessenen Klassiker zu entdecken.


Ein FILMtabs.de Artikel