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Erschütternde Wahrheit

USA, Großbritannien, Australien 2015 (Concussion) Regie: Peter Landesman mit Will Smith, Alec Baldwin, Albert Brooks, Gugu Mbatha-Raw, David Morse 123 Min. FSK: ab 12
Leider erst ein paar Tage nach dem US-Event namens Super Bowl kommt eine wahre Geschichte zum Football ins Kino: In der Stahlarbeiter-Stadt Pittsburgh, auch gesegnet und steuerlich belastet mit einem öffentlich co-finanzierten „Profi-Team“, stirbt ein Sport-Held der Stadt, den man vor die Hunde gehen ließ, elend in der Obdachlosigkeit. Nur eine Rand-Notiz, käme der Leichnam nicht in die Hände des außergewöhnlichen Pathologen Dr. Bennet Omalu (Will Smith). Der ist nicht nur im Gerichtssaal ein kurioser, aber genialer Fall, auch bei der Leichenbeschau räumen die Assistenten alles andere Geschirr weg, denn Dr. Bennet arbeitet anders. Er sieht die Toten als seine Patienten, behandelt sie mit Respekt und redet sogar mit ihnen: „Verrate mir dein Geheimnis…“
Das offene Geheimnis dieses und vieler anderer Football-Spieler ist, dass die heftigen Stöße in Wettkampf und Training ihre Gehirne enorm beschädigt haben. Beschleunigungen vom hundertfachen der Erdbeschleunigung sind auf dem Football-Feld nichts ungewöhnliches, schon beim 60-fachen wird das Gehirn geschädigt. 70.000 von diesen Schlägen steckt ein Spieler in seiner Karriere weg, schon Kinder werden so gedrillt. Einmal auf diese Spur gebracht, finanziert der Immigrant Dr. Omalu selbst weitere Untersuchungen bei Profis, deren Kopf sie in den Wahnsinn oder den Selbstmord trieb. Das Ergebnis wird von der Liga so brutal bekämpft, wie ihr Sport ist.
Alec Baldwin schlägt sich als sehr reicher Sportarzt Dr. Julian Bailes hilfreich auf die Seite von Dr. Omalu. Bailes ist ein Arzt, der „seine Jungs“ früher fit gespritzt und mit Medikamenten vollgepumpte hat. Trotzdem muss ausgerechnet dieser Paulus eine Fan-Rede für „das Spiel“ (hier irgendeine aktuell populäre passive betriebene Sportart einsetzen) halten – dies ist immer noch ein Hollywood-Film und Los Angeles bemüht sich gerade wieder, ein bis zwei Profi-Teams mit Millionen-Geschenken anzulocken.
Furchtbare Aufnahmen aus Sportsendungen, in denen minderbemittelte Reporter viel Spaß an den Verletzungen haben, schildern so deutlich, was hier passiert, dass sogar der Sound dazu richtig weh tut. Die Gesundheits-Diskussion, die immer noch im Boxen und neuerdings wegen der Kopfbälle auch beim Fußball geführt wird, ist die erste Ebene.
Vor allem geht es um die sozioökonomische Macht der Sport-Verbände: Die Städte schmeißen den Fußballern Amerikas Millionen an öffentlichem Geld hinterher, das sie bei den Sozialausgaben einsparen. Dies sei wie die Kirche früher, meint Omalus unerschrockener Chef, „denen gehört die Stadt“! Solche ironischen Kommentare geben der Geschichte eine kritische Würze.
Will Smith spielt den engagierten und kämpferischen Pathologen sicher und trotzdem ungewohnt, weil er als nigerianischer Einwanderer Englisch mit starkem Dialekt spricht. Trotzdem ist das sehr energische Plädoyer des ansonsten so zurückhaltenden und sachlichen Arztes eine große Nummer des Schauspiel-Stars. Geschickt wird dem Wissenschaftler durch eine kenianische Untermieterin etwas Romantik an die Seite gestellt.
Beide Immigranten leiden unter einem Rassismus, der sie noch geringer als Afro-Amerikaner ansieht. Dr. Omaluk kämpft auch darum, als Amerikaner anerkannt zu werden. Was im nachdenklichen Happy End nur nachgereicht werden kann, denn der wahre Omalu wurde erst im Februar 2015 US-Bürger und lehnte allerdings vorher auch einen Job in Washington als oberster Leichenbeschauer des Landes ab.


Ein FILMtabs.de Artikel