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Big Eyes

USA, Kanada 2014 Regie: Tim Burton mit Amy Adams, Christoph Waltz, Danny Huston, Jon Polito 107 Min. FSK: ab 0
Der „Batman“- und „Ed Wood“-Regisseur Tim Burton zeigt ohne seine üblich satirische überzeichnete Handschrift bei „Big Eyes“ eine schöne Emanzipation-Geschichte mit Amy Adams, eine Farce über den Kunstbetrieb mit Christoph Waltz und diskutiert im Hintergrund das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit.
Margaret Keane (Amy Adams) flieht zu Beginn ihren Ehemann und eine kalifornische Vorstadt, die verdächtig nach dem klinisch reinen Jagdgebiet der Avon-Beraterin aus „Edward mit den Scherenhänden“ aussieht. Doch auch in der Großstadt San Francisco ist Anfang der Fünfziger Jahre das Leben für eine ausgebildete Malerin nicht leicht: „Findet ihr Mann okay, dass sie arbeiten?“, fragt der neue Chef, bevor Margaret Kindermöbel in Serie bemalen darf. Walter Keane (Christoph Waltz) jedoch, ein vorgeblicher Maler, der hauptsächlich an Immobilen verdient, ist begeistert von Margaret. Der seltsame, anfangs nicht unsympathische Typ, schafft es sogar mit seinem begnadeten und extrem schleimigen Marketing, Margarets Bilder zu verkaufen. Die heißt mittlerweile auch Keane, malte aber immer schon. Leider vergisst Keane zu erwähnen, dass die Signatur von seiner Frau ist und schwingt sich selbst zum lächerlichen Abbild eines berühmten Künstlers auf. Die wirkliche Künstlerin schweigt dazu und malt heimlich weiter ihre Kinder mit sehr, sehr großen Augen. Denn Walters Karriere braucht ja Nachschub und auch – in einer der vielen atemberaubend absurden Szenen – für die Biographie ein „Frühwerk“ aus seiner Berliner Zeit mit Skizzen hungernder Nachkriegs-Kinder.
Während Waltz die Kopie eines Künstlers mit großer Leidenschaft auf die Leinwand schmeißt, macht dieser Keane ein Vermögen mit den Reproduktionen „seiner“ Originale. Nicht zufällig taucht Warhol immer wieder im Film auf: Walter meint stolz, er hätte noch vor Andy die Idee gehabt, mit Kopien Geld zu machen. Dass der Plagiator und Marketing-Spezialist nur albern unzureichend erklären kann, was Seele und Antrieb hinter diesen Werken sind, erinnert ebenso wenig zufällig an die Gegensätzlichkeit zwischen Filmkünstlern und den seriellen Massenproduktionen aus Hollywood. Die Spannweite dieses Subtextes reicht von Kane (nicht Keane), dem hawaiianischen Gott der Schöpfung, bis zum italienischen Gott der seriellen Produktion, dem Schreibmaschinen-Hersteller Olivetti.
Tim Burton, der in den 90er Jahren tatsächlich selbst Keane-Bilder gesammelt haben soll, macht aus dieser wahren Geschichte die letztlich glückliche Emanzipations-Geschichte einer Frau, die wohl ohne den Betrüger an ihrer Seite nicht aus einem Schattendasein herausgekommen wäre. Und die letztlich auch zu ihrem Ausbruch wieder die Leitung eines anderen Menschen brauchte. Die Lachnummer eines tragischen und verzweifelt größenwahnsinnigen Nicht-Künstlers legt Waltz etwas zu dick hin. Doch richtig interessant ist dabei die Erinnerung zurück zu Burtons Vorgänger von „Alice im Wunderland“,„Planet der Affen“, „Mars Attacks!“, „Nightmare Before Christmas“ oder „Batman“: War dieser transsexuelle Ed Wood (Johnny Depp) im gleichnamigen Film mit seinen rosa Agora-Pullovern nicht Margaret und Walter Keane in einer Person? So nett unterhaltsam „Big Eyes“ auch dank toller Haupt- und Nebendarsteller daherkommt, man darf ihn sich merken als Selbstporträt eines Künstler im Zeitalter der filmischen Industrialisierung.


Ein FILMtabs.de Artikel