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Verstehen Sie die Béliers?

Frankreich 2014 (La Famille Bélier) Regie: Éric Lartigau mit Karin Viard, François Damiens, Éric Elmosnino, Louane Emera 106 Min. FSK: ab 0
Schnell Karten reservieren und Taschentücher einpacken: Das nächste große Stück Gefühls- und Wohlfühl-Kino klingt wieder aus Frankreich herüber: „Verstehen Sie die Béliers?“ erscheint zwar von der Geschichte her wie ein „Cover“ von Caroline Links oscar-nominiertem „Jenseits der Stille“ aus dem Jahr 1996, doch dank grandioser Schauspieler, Chansons von Michel Sardou sowie dem Debüt von Louane Emera, einem Star aus „The Voice“, ist Rührung unvermeidlich. Die auch jenseits der Grenzen bekannte Louane gewann mit ihrer ersten Rolle gleich einen „César“.
Louane spielt überzeugend natürlich Paula, ein einfaches Mädchen vom Land. Diese kümmert sich um sehr vieles in der Familie, die Geschäfte auf dem Bauernhof und dann auch noch um den Wahlkampf des Vaters. Wobei Paulas Eltern und auch ihr kleiner Bruder taubstumm sind. Also wahrlich ein Mädchen für alles.
Das Film-Märchen beginnt, als Paula wegen ihres Schwarms an der Schule am Chor teilnimmt. Der exzentrische Musiklehrer Monsieur Thomasson (Éric Elmosnino) entdeckt ihre Stimme und meldet sie für einen Wettbewerb an, der Paula eine Ausbildung im fernen Paris einbringen könnte. Die natürliche Ablösung von den Eltern ist bei diesem Teenager besonders schwierig, denn sie muss ihren Eltern, die so ganz normal leben wollen, immer als Gebärdensprachen-Übersetzerin helfen: Auf dem eigenen Bauernhof, beim Verkauf des selbstgemachten Käses auf dem Markt und auch beim Gynäkologen, wenn sie dem die Geschlechtskrankheit der sexuell sehr aktiven Eltern erklärt.
Hier und dann spätestens bei den Schönheitstipps von der Mutter, während der Vater den Arm im Hintern einer Kuh hat, wird deutlich, dass aus dem psychologischen Zwiespalt einer besonderen Situation und aus den Figuren möglichst viele Scherze rausgequetscht werden soll. Das ist dem Film wichtiger als eine nuancierte Zeichnung der Probleme und Gefühle, wie sie in Links „Jenseits der Stille“ gelang.
Doch die gefühlvolle Komödie der Tochter taubstummer Eltern, die sich ausgerechnet wegen der Musik – oder vielleicht genau deshalb – von ihren Eltern löst, ist als großes Gefühlskino gelungen. So sind die zu lauten Töne der tauben Eltern immer mit knall-orangen Kopfhörern ausgeblendet. Im Bild stehen zu deutlich die Gitter, die man schon längst im zurückhaltend guten Schauspiel von Louane Emera mitbekommen hatte. Louane hat bisher zwar nur die Casting-Show The Voice gewonnen, doch ihr unprätentiöser Auftritt in diesem Film ist eindrucksvoll. Wenn Paula ihre Stimme findet und erst einmal selbst von ihr erschrickt. Wenn sie ausgerechnet mit ihrem heimlichen Schwarm das anzüglich-poetische „Je vais t’aimer“ übt, was schon mit dem Rücken zueinander sehr erotisch ist. Das Gänsehaut-Duett wird noch gesteigert in dem einzigen Moment der Stille, in dem die Eltern (grandios gespielt von Karin Viard und François Damiens) über die Reaktion der Zuhörer die Kraft der Stimme ihrer Tochter erleben. Außergewöhnlich gut passt auch das Abschiedsthema im immer schon rührenden „Je vole“.
„Verstehen Sie die Béliers?“ bringt nebenbei eine Würdigung von Michel Sardous Liedern und dass der Sardou-Fan Monsieur Thomasson vom Gainsbourg-Darsteller Éric Elmosnino gespielt wird, ist eine zusätzliche Pointe. Vor allem aber die grandiosen Karin Viard und François Damiens in der Rolle der Eltern machen diese verrückte Familie zu einem großen Vergnügen, wobei es den Béliers gar nicht gefallen hätte, so absonderlich dargestellt zu werden.


Ein FILMtabs.de Artikel