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#Zeitgeist

USA 2014 (Men, Women & Children) Regie: Jason Reitman mit Adam Sandler, Jennifer Garner, Rosemarie DeWitt, Judy Greer, Dean Norris 120 Min. FSK: ab 12
„Von digitaler Nähe & analoger Entfremdung“ untertitelt der deutsche Verleiher nicht besonders prickelnd den Film „#Zeitgeist“, der im Original und im Roman von Chad Kultgen einfach „Men, Women & Children“ (Männer, Frauen und Kinder) heißt. Vielleicht sollte man hinzufügen, dass es eine Komödie mit einem ernsten Adam Sandler ist, der einen Pornosüchtigen spielt. Und dass gezeigt wird, was von Porno aufgeklärte Jugendliche so für ein Sexleben haben. Also: „Was Sie schon immer über die Chats ihrer Kinder wissen wollten und nie zu fragen wagten!“ Wobei einfache Antworten überall ausbleiben. Außer beim Charakter von Adam Sandler, der auf seine Ehekrise eine verblüffend einfache Antwort hat…
Nach seiner wunderbar leichten und aufrichtigen Jugendgeschichte „Juno“ greift und reist Jason Reitman („Up in the Air“) wieder nach den Sternen: Aus der maximal distanzierten Perspektive der Raumkapsel Voyager beobachtet er Männer, Frauen und Jugendliche bei ihren Schwierigkeiten miteinander und vor allem mit diesem Neuland namens Internet: In den sieben Familien in einer Vorstadt von Austin, Texas findet sich die kontrollsüchtige Mutter Patricia Beltmeyer (Jennifer Garner), die schlimmer als BKA und NSA jede digitale Spur ihrer wirklich netten Tochter Brandy (Kaitlyn Dever) verfolgt. Sogar Nachrichten vom ebenso völlig harmlosen Ex-Footballstar Tim (Ansel Elgort aus „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“) werden zensiert, also meist nicht durchgelassen. Hannah Clint (Olivia Crocicchia) dagegen ist ein blondes Biest, das – koste, was es wolle – reich, berühmt und ein Hollywoodstar werden will. Nur ab und zu macht sich ihre Mutter Donna (Judy Greer) Gedanken, ob es ok ist, die sehr anzüglichen Bilder des Teenagers ins Internet zu stellen und sogar zu verkaufen.
Die Tragikomödie „#Zeitgeist“ zeigt Menschen von heute hinter den Bildschirmen, die sie dauernd in der Hand oder vor der Stirn haben. Einige haben als oberste Maxime des Menschseins ihre Klickzahlen, andere wie Tim bleiben trotz tagelangen Computerspielen erstaunlich unberührt davon und klar. Dass Jason Reitman, der Sohn des berühmten Regisseurs („Ghostbusters“) und Produzenten Ivan Reitman, Menschen echt und glaubwürdig zeichnen konnte, wussten wir seit „Juno“. Wie er in netten Einblendungen und Spielereien die Allgegenwart von Chats und Games (komplett grafisch eingedeutscht!) ins Bild bringt, erzeugt auf andere Art zusätzlichen Spaß. Mit einer unglaublichen Leichtigkeit wird so der Zeit exakt aufs Social Media-Profil geschaut. Da gibt es die klassischen Probleme, dass im Bett der Eltern nur noch Scrabble läuft, aber auch den jugendlichen Porno-Nutzer, der mit einer echten Freundin, die sich ihm an den Hals wirft, auf absurd tragische und komische Weise nichts mehr anzufangen weiß. Zu solchen und anderen Problemen läuft wie immer bei Reitman ein genialer Soundtrack. Und mit der Bestseller-Perspektive Carl Sagans auf „diesen kleinen blauen Punkt“ sind all diese Irrungen und Wirrungen mit einer abgeklärten aber sehr liebevollen Betrachtung gesegnet. Reitman muss gar nicht mehr nach den Sternen greifen, sie spielen schon (hervorragend) für ihn und man kann ihn schon sicher für Oscars, Palmen und großartige Retrospektiven fest am Film-Firmament notieren.


Ein FILMtabs.de Artikel