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Pride (2014)

Großbritannien 2014 Regie: Matthew Warchus mit Bill Nighy, Andrew Scott, Dominic West, Joseph Gilgun, Paddy Considine, Imelda Staunton, Ben Schnetzer 120 Min. FSK: ab 6 Mit „Pride“, also sehr stolz, zeigt diese begeisternde britische Sozial-Komödie eine unwahrscheinliche Verbrüderung zwischen streikenden Minenarbeitern in Wales und den von der gleichen Polizei niedergeknüppelten Schwulen und Lesben in London. Genauso wunderbar, solidarisch und komisch wie „Ganz oder Gar nicht“, „Billy Elliot“ oder „Brassed Off“ ist „Pride“ in seinem Themenreichtum sogar noch einen Tick gelungener. Wer war eigentlich brutaler? Die Eiserne Lady Thatcher beim Zerschlagen des sozialen Systems oder ihre Polizei beim Verprügeln verzweifelter Arbeiter? Während 1984 die Minenarbeiter in fast ein Jahr lang streiken, kämpfen und hungern, erlebt in London der junge Joe (George MacKay) sein Coming Out als Schwuler aus bürgerlich und britisch verklemmten Hause. Obwohl er nur verhuscht am Rande einer Demo mitläuft und sich noch längst nicht richtig raus traut, kommt er schnell mit einer bunten und mitreißenden Truppe zusammen, die in einem kleinen Buchladen für die Rechte Homosexueller kämpft. Deren exzentrischer und lauter Anführer Mark (Ben Schnetzer) hat die clevere Marketing-Idee, für die ebenfalls unterdrückten Minenarbeiter zu sammeln. Doch „LGSM – Lesbians and Gays Support the Miners“ ist erst einmal ein Flop, weil die offizielle, verknöcherte Gewerkschaft und auch sonst keiner die paar Pfund haben will. Bis eine ältere Dame im kleinen walisischen Ort Onllwyn ans Telefon geht und sich einfach freut. Nun kommt es erst mit dem Bergarbeiter-Abgesandten Dai (Paddy Considine) in London und dann mit einer ganzen Abordnung der Schwulen und Lesben in Wales zu einer höchst spannenden und amüsanten Begegnung der anderen Art. Einige der kantigen Waliser meinen, das erste Mal Schwule zu sehen. Und die zum ersten Mal einen Bergarbeiter… Doch am Ziel einer ersten Busreise mit Priscilla-Touch ereignet sich nach anfänglichem Zögern eine erstaunliche Völkerverständigung: Die Londoner Nachhilfe in Sachen Bürgerrechte bringt ein paar der Bergbau-Jungs aus dem Knast. Eine aufgedonnerte Tunte begeistert als wilder Tänzer zuerst die Frauen und entsetzt Männer, die nie tanzen. Doch die cleveren unter ihnen buchen sofort Tanzstunden, selbst die letzten Homophoben. Es entwickelt sich einfach gezeigte, unpathetische Solidarität und spätestens bei einem walisischen Volkslied große Rührung. So richtig in Schwung kommt die Sache, als die alten Damen aus dem Dorf Londons Schwulen-Clubs unsicher machen. Doch genau in dieser Szene meldet sich bei Mark ein alter Liebhaber mit Aids. Wie „Pride“ Spaß und wütend macht, wie man mittanzen und kämpfen möchte gegen die Ausbeutung der Arbeiter, ist großartig. Ein perfekter Wohlfühlfilm, ein tolles Vergnügen. Mit der Stimmung und der Lebenslust Anfang der 80er kurz vor dem Bekanntwerden von Aids, mit Liedern von The Smith oder Frankie goes to Hollywoods „Two Tribes“. Dazu haufenweise spannende Menschen mit ganz besonderen Geschichten und persönlichen Kämpfen. Ein besonderer Knaller ist Bill Nighy als grandios verklemmter Poet des Ortes. Doch gerade wo bei vielen ähnlichen Filmen für das Wohlfühlen Abstriche und Vereinfachungen gemacht werden, trumpft dieser besondere gelungene Herzensfilm noch einmal auf: Ein Coming Out, ein echter Arbeitskampf, Offenheit für Menschen in anderen Lebenswelten, Aids… All die vielen Themen und Figuren sind differenziert und wachsen einem ans Herz. Sie greifen ineinander wie die Hände auf dem Banner der Minenarbeiter von Onllwyn. Das vielleicht schönste an all diesen kleinen und großen Geschichten ist die Tatsache, dass alles zumindest so ähnlich passiert ist, wie der Abspann aufklärt. Als politische Folge dieser großartigen Solidarität wurden ein paar Jahre später die Rechte der Schwulen und Lesben in die Satzung der Labour Partei aufgenommen. Da kann man nur noch solidarisch ins Kino gehen. ✍


Ein FILMtabs.de Artikel