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Hin und weg

BRD 2014 Regie: Christian Zübert mit Florian David Fitz, Julia Koschitz, Jürgen Vogel, Miriam Stein, Volker Bruch, Victoria Mayer, Johannes Allmayer, Hannelore Elsner 95 Min. Die alljährliche Fahrradtour von sechs Freunden soll sie diesmal ins belgische Seebad Ostende führen. Was die Freunde nicht wissen, Hannes wählte das Ziel, weil er todkrank ist und dort sein Leben beenden will. „Hin und Weg“, der mit Leichtigkeit daherkommende Film von Regisseur Christian Zübert („Lammbock“, „Dreiviertelmond“), setzt nicht auf Rührung und problematisiert auch nicht zentral die Sterbehilfe, sondern feiert den Wert der Freundschaft. Bei seiner Weltpremiere in Locarno rührte der Film Tausende auf der vollbesetzten Piazza Grande. Jedes Jahr machen sechs Freunde zusammen eine Fahrradtour. Dieses Jahr will Hannes (Florian David Fitz) nach Belgien. Der wahre Grund ist kein touristischer: Der 36-jährige Hannes leidet an Amyotrophe Lateralsklerose (Abkürzung: ALS), einer erblichen, für ihn unheilbaren Krankheit. Beim Vater erlebte er dessen quälendes letztes Jahr und will seinen Tod nun selbst bestimmen – in Ostende per bereits arrangierter Sterbehilfe. Denn seit kurzen geht es rapide bergab: Auf dem Hometrainer schafft er nur noch 13 Kilometer statt früher 25. Allein Hannes’ Frau Kiki (Julia Koschitz) ist eingeweiht und erst als der Zwischenstopp bei der Mutter (Hannelore Elsner) die Tränen hochkommen lässt, kommt das eigentliche Ziel heraus. Vor allem Finn (Volker Bruch), der jüngere Bruder von Hannes, der das Krankheits-Gen nicht erbte, ist entsetzt. Doch nach ersten Protesten entscheiden sich alle, den Weg nach Ostende gemeinsam zu gehen. Zu diesen Touren gehört auch, dass jeder von einem anderen der Freunde eine geheime Aufgabe erhält, die während der Reise erfüllt werden muss. Wenn der veritable Casanova Michael (Jürgen Vogel) sich mit Perücke und Glitzer-Fummel als Frau verkleiden muss, erweitert das sein geringes Mitgefühl mit dem anderen Geschlecht. Nur schade, dass ausgerechnet die Quasselstrippe Sabine (Miriam Stein), die spontan mitfährt und an der er hängt, ihn so stehen lässt, wie er es selbst immer machte. Ein sexuell frustriertes Pärchen aus starker Frau Mareike (Victoria Mayer) und Hampelmann Dominik (Johannes Allmayer), der nur „Mausi“ und Ja sagen kann, bekommt durch einen Gruppensex-Auftrag die festgefahrene Ehe durcheinander gewirbelt. Vor allem der Abschied von Kiki (Julia Koschitz) ist sehr emotional. „Du machst einen Termin in Belgien, pumpst dein Fahrrad auf und fertig.“ „Hin und Weg“ ist eine Tragikomödie, die Rührseligkeit und auch Redseligkeit vermeidet. Oder wie es Hannes selber sagt: „Ich will nicht quatschen, deshalb fahre ich!“ Bei einem derart schwierigen Thema kann man schnell einen falschen Ton treffen. Doch Regisseur Christian Zübert vermied zu viel Pathos, genau wie schon die ostbelgische Autorin Ariane Schröder in ihrem Drehbuch. Die Abschiedstour lässt die kleinen Probleme der anderen zurücktreten, wichtiger als die Diskussion der Sterbehilfe (wie im hervorragenden „Und morgen Mittag bin ich tot“) oder der um Hannes’ Entscheidung wird die außergewöhnliche Freundschaft. Beim gemeinsamen Regenfrühstuck im Zelt oder wilder Schlammschlacht in Heidelandschaft ist die Gemeinschaft lebendig im Bild. Auch wie schließlich alle eng zusammengerückt in einem Auto sitzen, gibt die Gefühle in gelungener Aufnahme wider. So gelingt „Hin und Weg“ der Umgang mit einem sensiblen Thema vor allem auch als Ensemble-Film mit guten, eindringlichen Figuren. Stark zur Stimmung von Abschied und Freundschaft tragen die für den Film geschriebenen Songs von unter anderem den Beatsteaks, Passenger, Boy und Joyce Jonathan bei, die der Film als eigens für die Radtour komponiertes Mix-Tape vorstellt. Auch hier ein gelungenes Zusammenspiel für einen anrührenden aber nicht von Leid überfrachteten Film zur letzten Lebens-Etappe. ✍


Ein FILMtabs.de Artikel