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Mutter und Sohn

Rumänien 2012 (Child’s Pose / Pozitia Copilului) Regie: Calin Peter Netzer, mit: Luminita Gheorghiu, Bogdan Dumitrache, Natasa Raab, Florin Zamfirescu ca. 90 Min. Die dramatische und universale Beziehungsgeschichte zwischen „Mutter und Sohn“ vor dem Hintergrund krasse sozialer Unterschiede Rumänien gewann überraschend den Hauptpreis der letzten Berlinale. Damit wurde die überaus lebendige und reizvolle neue Filmwelle des Landes gewürdigt. Die Geschichte einer Befreiung in tragischen Umständen ist aber auch sonst sehenswert. Ein Raserduell auf nächtlicher Strecke: Zwei Männer mit mehr PS als Verstand unter der Haube müssen sich irgendwas beweisen und nachher liegt ein Kind tot auf der Straße. Der junge Fahrer wird von den Verwandten des Opfers fast gelyncht. Doch dann startet das wahre Unrecht seine Maschinerie. Cornelia, die Mutter des Mörders, eine reiche wie unterbeschäftigte Architektin, Gattin eines Chirurgen, legte ihre kaltherzige Schminke auf, stürmt das Polizeibüro und aktiviert gleichzeitig, mit Smartphone bewaffnet, ihre Beziehungen. So hält der verständliche Widerstand der einfachen Polizisten gegen Korruption und freche Überrumpelung nur ein paar Stunden. Dann ist der Sohn Barbu frei, Dokumente werden gefälscht, an Beweisstücken kräftig manipuliert. Nun erwartet man ein soziales Drama darüber, wie ein verwöhnter Raser und Kinds-Mörder mit Hilfe seiner einflussreichen Mutter der Gerechtigkeit entkommt. Doch der Film bleibt bei der reichen Familie und baut ein anderes Drama auf: Barbu könnte sich freuen oder Schuldgefühle haben oder irgendwas machen. Aber er ist nur damit beschäftigt, die Umklammerung seiner Mutter zu verhindern. Dabei hat der Mann einen Beruf, eine Frau, die ein Kind mit in die Beziehung brachte, eine eigene Wohnung. Doch der Mann wird immer noch wie ein kleiner Junge behandelt und verhält sich auch öfter so. Aber er hat es tatsächlich schwer: Hemmungslos durchsucht Mama seine Wohnung, korrigiert die Lektüre am Bett, schnüffelt in allen Ecken und kritisiert noch viel mehr. Es dauert lange in diesem nicht immer packenden Film, bis ausgerechnet der verantwortungslose Unfall dem Sohn die Gelegenheit gibt, dem Griff der übermäßig fürsorglichen, ekelhaft reichen und korrupten Mutter zu entkommen. Denn die Versuche, alles mit Geld zu regeln scheitern. Die Reiche und der Täter müssen sich der Familie des Opfers stellen und dabei gewinnt der Film endlich an Dramatik. Denn als wirkliche Anteilnahme und echte Verantwortung für das eigene Handeln gefragt ist, emanzipiert sich Barbu endlich. Schon dass die „Opferung“ eines Kindes nur als dramaturgischer Auslöser für einen wenig weltbewegenden Luxus-Konflikt inszeniert wird, macht „Mutter und Sohn“ nicht unbedingt sympathisch. Genau wie seine Hauptfigur, die von Luminita Gheorghiu eindrucksvoll widerwärtig gespielt wird. Doch es müssen ja nicht alle ihre Kamera auf die echten Probleme richten, wie man es gerne bei Ländern mit großem Wohlstandsgefälle wie Rumänien oder Deutschland erwartet. Unter diesem Verzicht ist „Mutter und Sohn“ eine gute Psycho-Zeichnung und so beschränkt sogar gelungen.


Ein FILMtabs.de Artikel