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Hitchcock

USA 2012 (Hitchcock) Regie: Sacha Gervasi mit Anthony Hopkins, Helen Mirren, Scarlett Johansson, Danny Huston, Toni Collette, Jessica Biel 98 Min. FSK ab 12 Um Sie nicht lange auf die Folter zu spannen: „Hitchcock“ ist … ja, eigentlich kann man das so genau nicht sagen … Ein Ehedrama? Ein Hollywood-Thriller um einen Thriller, der trotz Hollywood zum Erfolg wurde? Die Komödie eines hervorragenden Schauspielers, der unter auffällig schlechter Gummimaske einen dicken Mann mit Zigarre persifliert? „Hitchcock“ ist als das, noch viel mehr und außerdem überhaupt nicht, was man erwartete. Ein Farmer erschlägt seinen Bruder auf dem Acker, dabei steht im Hintergrund Hitchcock (Anthony Hopkins) im Anzug und mit einer Teetasse in der Hand. Der bekannte Regisseur kommentiert die Szene mit leisem Spott, wie er es bei seinen Fernsehfolgen immer tat. Dabei ist der Meister schlecht gelaunt und furchtbar frustriert: „Der unsichtbare Dritte“ ist abgefeiert, die neuen Vorschläge vom Studio wollen 1960 das gleiche noch mal. Nur die Lektüre des neuen Buches „Psycho“ begeistert ihn. Wobei, was wir davon in Bildern sehen, oder wenn wir verfolgen, was sein Kopf dabei sieht, ist nicht schön. Als er möglichen Investoren die echten Fotos des Massenmörders zeigt, laufen alle entsetzt weg, aber der Meister erkennt, „sie müssen hinschauen!“ Womit „Hitch“, wie ihn einige nennen dürfen, bei seinem Fachgebiet ist: Auch er muss immer hinschauen, vor allem, wenn eine seiner Lieblingsschauspielerinnen sich im Nebenraum umzieht. Wie gut, dass ein kleines Spanner-Loch in der Wand ist. Das ist zwar schon „Psycho“ aber auf einer anderen Ebene wurde der Film noch längst nicht finanziert. Alfred Hitchcock musste schließlich sein Haus verpfänden, um das zögerlich Filmstudio Paramount zur Mitarbeit zu zwingen. Also Filmgeschichte, diese Geschichte der Entstehung eines der spannendsten, psychologisch tiefblickendsten und berühmtesten Thriller der … genau: Filmgeschichte? Nicht so ganz, denn dass Hitch beim echten Massenmörder auf der Psycho-Couch liegt und sich analysieren lässt, oder dass der Regisseur beim Dreh der schnittreichen Duschszene selbst vormachte, wie heftig Norman Bates zustechen muss, und dabei in Gedanken auf all seine Feinde einstach, ist nicht wirklich verbriefte Historie. Und immer wieder verfällt die Nacherzählung vom Drehprozess in solch surreale Szenen. Wobei erstaunlicherweise der Handlungsfluss wunderbar unterhaltsam funktioniert. Selbst seine Nachstellungen von blonden Visionen und andererseits die Eifersucht gegenüber dem jüngeren Freund (Danny Huston) seiner Frau (Alma Reville) passen organisch in das Gesamtgefüge. Und da wäre auch noch das platonische – ja, wirklich! – Verhältnis zum Psycho-Star Janet Leigh, sehr keck gespielt von Scarlett Johansson. Oder die Auseinandersetzung mit der Zensurbehörde, die nicht nur Nacktheit ausschloss, sondern auch das Zeigen einer Toiletten-Schüssel als unamerikanisch empfand. Doch eigentlich ist und bleibt Alma die spannendste Figur, „Hitchcock“ ist ihr Film. Erst als sie „Psycho“ auf großartige Weise in die Hand nimmt, wird was draus. Sie setzt Bernard Herrmanns Musik für die Duschszene durch. Zwischendurch lebt sie die Romantik von zwei Schreibmaschinen auf der Terrasse eines Strandhauses mit einem anderen, aber die Eifersucht hilft dem Meister zu erkennen, dass er ohne sie nichts ist. Keine Ahnung, was die Filmhistoriker zu „Hitchcock“ sagen werden, aber die Hommage ist humorig, andeutungsreich und unterhaltsam. Sehr nett, wie Hopkins die Gestik, Körperhaltung und auch Hitchcocks Sprache mit diesem Ziegenlachen imitiert, obwohl er selbst immer wieder aus der Maske hervorbricht. Sogar ein wunderbarer Spaß, wenn Hitchcock bei der Premiere von „Psycho“ in der leeren Lobby die Messerstiche dirigiert und – immer wieder Voyeur – durch die Kinotür das Publikum beobachtet. Was wir dann auch wiederum gerne tun, das Beobachten dieser Konstruktion, die Rekonstruktion eines Geniestreiches ist. Oder genau, der von zwei kongenialen Menschen. Wobei der schönste Erfolg ist, dass er nach dreißig Jahren ihre Zusammenarbeit anerkennt – „man nennt mich nicht umsonst den Master of suspence“ – und der Jagd nach den blonden Illusion entsagt.


Ein FILMtabs.de Artikel