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Zero Dark Thirty

USA 2012 (Zero Dark Thirty) Regie: Kathryn Bigelow mit Jason Clarke, Reda Kateb, Jessica Chastain, Kyle Chandler, Jennifer Ehle 157 Min. Die Ausgangssituation ist historisch und emotional eindeutig: Mit diesen immer wieder erschütternden akustischen Symbolen, den Mailbox-Aufnahmen von Menschen, die am 11.9.2001 in den Twin Towers sterben werden. Zwei Jahre später kommt die CIA-Agentin Maya (Jessica Chastain) in Pakistan an und nimmt direkt an der Folter eines Gefangenen teil. Noch im schicken Hosenanzug, zu dem die anonymisierende Sturmhaube nicht so ganz passt. Die Pole dieser Geschichte sind in wenigen Minuten abgesteckt und die Skandalisierungs-Reflexe funktionierten in den USA wie erwartet: Die einen sahen in der Darstellung von Waterboarding Vaterlandsverrat, die anderen schrien bei der Verhaftung Osama Bin Ladens, um die sich der Film vor allem dreht, eine Glorifizierung von Selbstjustiz. Doch dies ist ein Film von Kathryn Bigelow, die für „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“ nicht nur als erste Frau überhaupt den Regie-Oscar erhielt, sondern mit dem Film über Bombenentschärfer im Irak auch ein kluges Bild des Krieges zeigte. Schon lange vor dieser politischen Phase erweis sie sich zu Beginn ihrer Karriere mit „Gefährliche Brandung“ (1991), „Blue Steel“ (1989) und „Near Dark“ (1987) als ausgezeichnete Regisseurin und schlug als eine von wenigen Frauen im Action-Genre zu. Nun zeigt die Regisseurin für Hartes eine CIA-Agentin mit dem Spitznamen Killer, die bei der Folter durch simuliertes Ertrinken ängstlich zuschaut. Auch für Maya sind die Erniedrigungen des Gefangenen schwer erträglich. Zwar werden in den nächsten zwei Kino-Stunden und den Jahren ihrer Recherche immer wieder Fotos und Video-Aufnahmen an diese, auch in europäischen US-Verstecken praktizierten Verhörmethoden erinnern, doch mit dieser Basis stürzt sich Maya versessen in kriminalistische Arbeit. Gegen die Einschätzung von Kollegen und Vorgesetzten verfolgt sie eine Spur, die letztlich zur Entdeckung und Ermordung von Bin Laden führt. Ãœber diese fixe Idee verzichtet die Workaholic Maya auf Freunde oder Privatleben, das sie eigentlich nie hatte. Der Film verzichtet derweil bei seiner Recherche auf Verfolgungsjagden oder sonstige Action. Obwohl so Zeit für Kritisches bleibt, man Obama sagen hört, die USA foltere nicht, wird „Zero Dark Thirty“ immer spannender. Auch wenn Bin Ladens Ermordung und ihr Zeitpunkt, den der Filmtitel mit dem militärischen Ausdruck für 0.30 Uhr beschreibt, klar sind, verfolgt man mehr und mehr gefesselt die Schritte geheimdienstlicher Arbeit. Dazu gehört auch ganz banal mal ein Lamborghini als Tauschobjekt für die Telefonnummer der Mutter eines Botengängers von UBL, wie der Gesuchte in der amerikanischen Abkürzung nur noch genannt wird. Ohne die üblichen Albernheiten inszeniert, packt „Zero Dark Thirty“ und irritiert nachhaltig. Selbst als der Tod einiger Kollegen die Jagd auf UBL für Maya zu einer persönlichen Angelegenheit macht, behält der Film seine Distanz zu diesem durch den Star Chastain attraktiven aber auch deformierten Menschen. Wenn im Finale die Waage anscheinend zur Seite der Macht ausschlägt, die Marines in Begleitung eindringlicher Bässe gravitätisch ihr Ziel in Pakistan anfliegen und man sich als Partei genommene Geisel in einem rechtlosen System glaubt, das erst schießt und dann fragt, wer man ist, verweigert Bigelow die patriotische und militaristische Jubel-Arie. Die entfärbten Bilder des nächtlichen Einsatzes, bei denen den USA wie damals im Iran wieder ein Hubschrauber schlapp macht, sind unheimlich intensiv. Unübersehbar aber auch, dass die Frauen im Versteck vom besonders zynisch „Geronimo“ genannten direkt mit erschossen werden. Am Ende des Films, dessen Drehbuch wieder von Oscar-Gewinner Mark Boal („The Hurt Locker“) stammt, bleibt statt Siegesgefühl oder befriedigter Rache nur Irritation. Wenn Maya ganz alleine im Laderaum eines Militärtransporters in die USA geflogen wird, hätte sie in ihrem Leben auch den Heiligen Gral oder eine Million Bonusmeilen jagen können – alles ebenso sinnvoll oder sinnlos.


Ein FILMtabs.de Artikel