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Cloud Atlas

USA, BRD, Hongkong, Singapur 2012 (Cloud Atlas) Regie: Lana & Andy Wachowski, Tom Tykwer mit Tom Hanks, Halle Berry, Jim Broadbent, Hugo Weaving, Jim Sturgess, Doona Bae, Ben Whishaw, James D’Arcy, Zhou Xun, Keith David, Susan Sarandon, Hugh Grant 172 Min. FSK ab 12 David Mitchells Roman „Cloud Atlas“ spannt sich mit unterschiedlichsten Figuren auf mehreren Kontinenten über 500 Jahre, so gewaltig, dass er als unverfilmbar galt. Der parallele Dreh von Tom Tykwer („Lola rennt“, „Das Parfum“) sowie den Machern der Matrix-Trilogie Lana und Andy Wachowski mit einem sehr eindrucksvollen Star-Ensemble steigerte die Erwartungen weiter. Zu Recht, denn der fertige „Wolkenatlas“ beschert drei äußerst kurzweilige Stunden, die in den besten Sequenzen einen regelrechten Strudel der Ereignisse erzeugen. Faszinierend hierbei, wie organisch alles ineinandergreift, was schon in der Nacherzählung ein unübersichtliches Knäuel von Erzählungen zu sein scheint: Im Jahre 1849 reist der amerikanische Anwalt Ewing auf hoher See zurück nach San Francisco und kann sich den Vergiftungen eines hinterhältigen Quacksalbers (Tom Hanks) nur durch die Hilfe eines entflohenen Sklaven erwehren, den er zuvor rettete. Den Reisebericht Ewings liest 1936 der junge, schwule Komponist Robert Frobisher (Ben Whishaw), mit dessen Hilfe ein alterndes Genie (Jim Broadbent) ewigen Ruhm erlangen könnte. Frobishers Briefe findet 1973 die Journalistin Luisa Rey (Halle Berry), die eine Atom-Intrige enthüllt. 2012 versucht Jim Broadbent als verschuldeter Verleger einem zwangsweisen Aufenthalt im Altersheim zu entfliehen, genau wie 2144 in Neo-Seoul eine geklonte Kellnerin bei ihrer Flucht ein Bewusstsein entwickelt, das sie zur Widerstandsheldin macht. Die wird noch 2346 in einer post-apokalyptischen Welt angebetet, als ein einfältiger Hirte (Hanks) Kontakt mit der Vertreterin einer höheren Zivilisation (Berry) aufnimmt. Thriller trifft hier auf Komödie, Drama und Science Fiction. Es ist geradezu großartig, wie tatsächlich alle Geschichten im keineswegs so chronologisch erzählten „Cloud Atlas“ über ähnliche Entwicklungen, Knotenpunkte oder Auflösungen ineinander verflochten funktionieren. Zwar taucht auch – um ein niederes Filmbeispiel zu nennen – der „Highlander“ in verschiedenen Zeiten immer wieder auf. Doch beim grandiosen Werk von Tom Tykwer, Lana und Andy Wachowski ist der Wiedererkennungs-Effekt unter ganz extremen, manchmal fast albernen Masken nur eine Randerscheinung. Es sind die Themen, die alle Zeiten durchlaufen: Versklavung und Unterdrückung von „Anderen“, das Streben nach Freiheit, die Entscheidung, das Richtige zu tun. Andy Wachowski sagte dazu: „Der Schlüssel ist die Erkenntnis, dass es eben nicht sechs verschiedene Geschichten sind. Es ist nur eine einzige. Im Verlauf des Films bedingen und beeinflussen sich diese Handlungen und Zeiten gegenseitig – jede Einzelne.“ Tom Hanks und Hugh Grant spielen in jeweils sechs großen und kleinen Rollen. Dabei ist es nicht einfach so, dass Hanks vom Giftmischer über den Atom-Wissenschaftler und Proll-Autoren bis zum Hirten eine stringente Entwicklung mitmacht. Die Raffinesse von „Cloud Atlas“ im Vergleich zu etwas wie „Highlander“ ist dass Wiedergeburt, Weiterentwicklung und Vererbung von Ideen durch unterschiedliche Figuren, gezeichnet mit dem Muttermal in Form eines Kometen, geschieht. Wenngleich Hugh Grant vor allem als Teufel in ferner Zukunft immer für die Kraft steht, die stets verneint. Und Hugo Weaving setzt seinen Agent Smith aus der „Matrix“ fort, mal als Killer, mal als diktatorische Altenpflegerin. Der Rollenwechsel über Geschlechts-Konventionen hinweg, ist eine spezielle der vielen gefeierten Grenzüberschreitungen und Ausbrüche. Denn Lana Wachowski lebt erst seit vier Jahren öffentlich als Frau und nannte sich vorher Larry. Ãœberhaupt haben die Geschwister Wachowski vor allem dem Science Fiction im Neo-Seoul des Jahres 2144 mit seiner weiblichen Messias-Figur deutlich den Stempel von „Matrix“ und in Tron-artigen Verfolgungen auch von „Speed Racer“ aufgedrückt. Tom Tykwer ist als Ko-Regisseur und Ko-Autor kaum zu erkennen, im Gegensatz zur Landschaft Mallorcas. „Cloud Atlas“ gehört zu den Filmen, die über ihre Atmosphären, über die neu geschaffenen Welten in Erinnerung bleiben. Nicht über ein paar wenige, bewusst herausgestellte Szenen, so wie es unter anderen Spielberg gerne macht. Und über eine ganze Wolke aus philosophischen Andockstellen, die eine ähnliche Diskussion hervorrufen werden, wie es „Matrix“ tat. Nicht die schlechteste Nachwirkung für drei Stunden packende, faszinierende und erstaunende Unterhaltung!


Ein FILMtabs.de Artikel